David North
Das Erbe, das wir verteidigen

Nach der Spaltung

Nach der Wiedervereinigung von 1963 stellten die SWP und ihre revisionistischen Verbündeten in Europa die Spaltung von 1953 als ein schreckliches Missverständnis dar, das niemals hätte passieren dürfen. Joseph Hansen lamentierte schon 1962 über die »gewissenlosen acht Jahre«[1] der Spaltung. Die bloße Existenz des Pablismus als genau umrissene internationale revisionistische Tendenz wurde geleugnet. Insofern der Begriff »Pablismus« für die SWP überhaupt eine Bedeutung hatte, bezeichnete er einfach unangenehme bürokratische Gepflogenheiten im Bereich der internationalen Organisation.

Die SWP wollte die objektive politische Bedeutung ihrer eigenen veränderten Haltung gegenüber dem Pablismus verbergen. 1953 hatte sie eine internationale Spaltung mit dem pablistisch kontrollierten Internationalen Sekretariat organisiert. 1963 erzwang sie eine Wiedervereinigung mit den Kräften, die sie unmissverständlich als Revisionisten gebrandmarkt hatte, und brach mit dem Internationalen Komitee.

Eine konkrete historische Untersuchung der kritischen zehn Jahre nach dem »Offenen Brief« ergibt, dass die Wiedervereinigung von 1963 das Endergebnis der Kapitulation von Cannon und der Socialist Workers Party vor dem Druck des amerikanischen Imperialismus war. Die Verwandlung der SWP aus einer Partei der sozialen Revolution in eine Partei der sozialen Reform – deren zentrale Führung darüber hinaus von Agenten des kapitalistischen Staats durchsetzt ist – war das Wesen ihrer Zurückweisung der Prinzipien, für die sie 1953 gekämpft hatte. Die Wiedervereinigung war das Ende des 25-jährigen Bestehens der SWP als trotzkistischer Partei.

Banda geht einer objektiven Untersuchung der Periode von 1953 bis 1963 aus dem Weg, weil sie direkt zu der entscheidenden Frage der historischen Kontinuität führt. Die Degeneration der SWP und die Opposition dagegen im Internationalen Komitee zu verfolgen, bedeutet zu untersuchen, wie der Trotzkismus im Kampf gegen den Revisionismus weiterentwickelt wurde – das heißt, im Kampf gegen den gesellschaftlichen, politischen und ideologischen Druck des Imperialismus auf die Vierte Internationale. Eine solche Untersuchung erbringt den Beweis, dass das Internationale Komitee in seinem Kampf gegen die prinzipienlose Wiedervereinigung der SWP die historischen Interessen der Arbeiterklasse verteidigte.

Banda hat keinerlei Interesse daran, die Kämpfe in der Vierten Internationale als einen objektiven Bestandteil des internationalen Klassenkampfs zu untersuchen. Seine Methode ist stets subjektiv. Um die historische Bedeutung des »Offenen Briefs« zu leugnen, wirft er Cannon angebliche Vergehen in der Zeit vor 1953 vor. Diese Vorwürfe beruhen, wie wir gesehen haben, auf bösartigen Lügen und Erfindungen. Um die historische Bedeutung des Kampfs gegen die Wiedervereinigung zu leugnen, nimmt Banda Healys Fehler in Bezug auf Algerien 1955–1957 aufs Korn. Abgesehen von ein wenig unaufrichtiger Selbstbeweihräucherung führt Banda die Ereignisse in Algerien an, um zu beweisen, dass es keine wirklichen Differenzen zwischen der SWP und den britischen und französischen Trotzkisten gegeben habe, dass sie vielmehr alle Bestandteil ein und derselben degenerierten Internationale gewesen seien, die praktisch sofort zu verrotten begann, kaum dass Trotzki sie 1938 gegründet hatte. Healys Fehler in Bezug auf den Kampf in Algerien mögen für seine Biografie und den allgemeinen geschichtlichen Verlauf von Bedeutung sein, aber sie ändern nichts am objektiv revolutionären Inhalt des Kampfs gegen den Verrat der SWP am Trotzkismus.[2]

Um herunterzuspielen, welche Bedeutung es hatte, dass die SWP den Kampf gegen den Pablismus aufgab, tut Banda so, als sei der »Offene Brief« wenig mehr als eine kleine Verstimmung gewesen, die Cannon sofort wieder vergaß. »Nachdem Cannon sich einen Freiraum für Manöver mit der Arbeiterbürokratie geschaffen hatte und die lästige Cochran-Tendenz losgeworden war, ging er jetzt formgerecht an den Schacher mit Pablo heran, und zwar auf der Grundlage einer gemeinsamen Position zur Revolution in Ungarn und der Verwässerung des Programms der politischen Revolution in der UdSSR.«

Wir müssen an dieser Stelle nicht erneut Bandas Lüge entlarven, Cannon habe im Kampf gegen Cochran und Clarke die amerikanische Gewerkschaftsbürokratie vertreten. Wir wollen aber darauf hinweisen, dass zwischen dem »Offenen Brief« und der ungarischen Revolution nicht weniger als drei Jahre verstrichen, in denen die SWP in all ihren öffentlichen Erklärungen und in ihrer Korrespondenz innerhalb der Vierten Internationale den Pablismus zurückwies und jegliche politische Beziehungen zu seinen Vertretern ablehnte. Wenn Banda diese Tatsache beiseite wischt, schließt er sich allen Zentristen und Revisionisten an, die wie die SWP die Spaltung von 1953 am liebsten totschweigen wollen.

Über drei Jahre lang legte die SWP enormen Wert auf den Kampf gegen den Pablismus. Angesichts von allem, was deren Führer zwischen 1953 und 1956 zu dieser Frage geschrieben hatten, war es völlig gerechtfertigt, dass die britische Sektion des IK über die plötzlich veränderte Haltung der SWP zur Möglichkeit einer Wiedervereinigung sehr beunruhigt war.

In den ersten Monaten des Jahres 1954 setzte Cannon die politische Offensive gegen die Pablisten fort und definierte die politische und historische Bedeutung der Spaltung. Am 1. März 1954 schrieb er an George Breitman:

Wir haben vollkommen andere Zielsetzungen als Germain. Zurückzuführen ist dies auf eine unterschiedliche Theorie über die Rolle der revolutionären Vorhut und deren Beziehung zu den anderen Tendenzen in der Arbeiterbewegung. Germain denkt, dass er in dieser Frage einen orthodoxen Standpunkt bezieht – darüber schrieb er in »Quatrième Internationale« sogar einen Artikel –, aber in der Praxis kompromittiert er die Theorie. Wir allein richten uns uneingeschränkt nach Lenins und Trotzkis Theorie der Partei als der bewussten Avantgarde und ihrer Rolle als Führung im revolutionären Kampf. Diese Frage wird brennend aktuell und ist in der gegenwärtigen Epoche wichtiger als alle anderen.

Das Problem der Führung nun beschränkt sich nicht auf die spontanen Erscheinungen des Klassenkampfs in einem lang hingezogenen Prozess, ja nicht einmal auf die Eroberung der Macht in diesem oder jenem Land, wo der Kapitalismus besonders schwach ist. Es ist vielmehr eine Frage der Entwicklung der internationalen Revolution und der sozialistischen Umwandlung der Gesellschaft. Wer die Annahme zulässt, dass dies automatisch geschehen könnte, gibt in Wirklichkeit den ganzen Marxismus auf. Nein, es erfordert bewusstes Handeln, und dazu ist die Führung der marxistischen Partei, die das bewusste Element im historischen Prozess darstellt, unerlässlich. Keine andere Partei taugt dafür. Keine andere Tendenz in der Arbeiterbewegung kann als hinlänglicher Ersatz angesehen werden. Aus diesem Grund ist unsere Haltung gegenüber allen anderen Parteien und Tendenzen unversöhnlich feindlich.

Wenn die Kräfteverhältnisse eine Anpassung der Kader der Avantgarde an Organisationen erfordern, die momentan von solchen feindlichen Tendenzen beherrscht werden – von Stalinisten, Sozialdemokraten, Zentristen –, dann muss eine solche Anpassung stets als eine taktische Anpassung gesehen werden, die dazu dient, den Kampf gegen sie zu erleichtern, niemals, um ihnen die entscheidende historische Rolle zuzuschreiben, während den Marxisten die zweitrangige Aufgabe überlassen bleibt, freundliche Ratschläge zu erteilen und »loyale« Kritik zu äußern, wie die Pablisten in ihren Kommentaren zum Generalstreik in Frankreich.

* * *

Germain ist sich darüber zwar nicht bewusst, aber im Grunde sind seine Differenzen mit uns in diesem Bereich dieselben wie unsere Differenzen mit Shachtman und Pablo. Germain rät uns eine »entristische« Politik; er will, dass wir uns mit der Rolle einer kritischen Opposition in einer pablistischen Internationale zufriedengeben, genau wie Pablo implizit die Rolle der Vierten Internationale auf einen kritischen Flügel des Stalinismus reduzieren will und Shachtman der revolutionären Vorhut ausdrücklich rät, sich mit der wenig glanzvollen Rolle einer »loyalen Opposition« – seine Formulierung – zur Sozialdemokratie zufriedenzugeben …

In ihrem gegenwärtigen Entwicklungsstadium ist die Vierte Internationale keine Massenorganisation, in der unterschiedliche und sogar gegensätzliche Tendenzen lange Zeit nebeneinander bestehen können, während der Kampf um die Anhängerschaft der Massen weitergeht. Die Vierte Internationale ist heute eine Kaderorganisation. Ihre Schlagkraft und ihre historische Berechtigung leitet sie aus ihrem Programm und ihrer ideologischen Geschlossenheit ab. Der Pablismus ist keine Massenbewegung, in die man eindringen muss, um sie zu beeinflussen, sondern eine revisionistische Tendenz, die die Vierte Internationale verleumdet und ihre Kader spaltet. Unsere revolutionäre Pflicht besteht nicht darin, uns mit dieser Tendenz – die darüber hinaus eine Minderheitstendenz ist – zu »arrangieren«, sondern sie zu vernichten.

* * *

Den nächsten Schritt unserer Strategie sollten wir meiner Meinung nach auf eine kompromisslose Entschlossenheit gründen, den Pablismus politisch und organisatorisch vom Erdboden zu tilgen. Das wird eine Weile dauern, und wir sollten uns auf einen langen Kampf einstellen, der sich an drei Punkten orientiert, nämlich, in der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit:

Erstens: die Kader, die das Internationale Komitee bereits unterstützen, festigen und neu erziehen.

Zweitens: dafür sorgen, dass sich diejenigen Sektionen organisatorisch dem Internationalen Komitee anschließen, die in Grundfragen bereits mit uns übereinstimmen oder noch unentschlossen sind.

Drittens: die Minderheiten in denjenigen Sektionen festigen, deren oberste Führung bereits vom Pablismus korrumpiert ist, und sie für einen unversöhnlichen Kampf wappnen.

Den ersten Punkt halte ich für den wichtigsten: die Konsolidierung und ideologische Festigung der orthodoxen Kader. Das polemische Material, das wir veröffentlichen, dient meiner Meinung nach vor allem ihrem Nutzen, um sie in die Diskussion einzubeziehen und ihnen zu helfen, bewusst jeden Schritt nach vorn mit uns gemeinsam zu machen. Wir sollten auf die frühen Tage unserer Bewegung zurückblicken und uns erinnern, dass unsere umfangreiche Polemik gegen die Stalinisten nicht einfach eine Debatte mit ihnen war, sondern das Mittel, mit dem unsere eigenen ersten Kader erzogen und gefestigt wurden.

Wir sollten bewusst daran arbeiten, diesmal auf einer höheren Ebene dieselben Ergebnisse zu erzielen. Das ist für uns in der SWP sehr wichtig, denn es liegt auf der Hand, dass unsere Partei im Verlauf dieser Diskussion von oben bis unten neu gebaut wird. Für Organisationen wie die Kanadier, die Briten oder andere, die durch die Umstände zu einer Politik des »tiefen Entrismus« gezwungen werden, ist es noch zehn Mal wichtiger.[3]

Cannon war sich vollkommen im Klaren darüber, dass die Entstehung des Pablismus ein Ergebnis des Drucks des Imperialismus auf die gesamte Vierte Internationale war und dass das Liquidatorentum selbst in den Sektionen eine reale Gefahr darstellte, die als »orthodoxe« Trotzkisten galten. Er betonte wiederholt die Notwendigkeit einer gründlichen Neuerziehung der einfachen Mitgliedschaft im Kampf gegen den Revisionismus. Er rief nicht nur zu »gnadenloser Polemik gegen die Pablisten« auf, sondern warnte auch, dass die Angriffe in solchen Schriften »zum Teil verlorengehen, wenn das polemische Material nur auf die Führungskreise beschränkt bleibt und nicht in der Mitgliedschaft weit verbreitet, gelesen und diskutiert wird. Andernfalls könnte der Pablismus, dessen Endergebnis nur die Liquidierung der trotzkistischen Kader sein kann, schließlich durch dieses Versäumnis den Sieg davontragen, selbst wenn die Kader formal die pablistische Fraktion ablehnen.«[4]

Am 24. April 1954 verschärfte Cannon in einem Brief an Dobbs den Angriff gegen die Pablisten. Er schrieb zu der Haltung der Pablisten über die Frage der Wahlen in Indochina und die Zulassung von China zu den Vereinten Nationen:

Als ich diese pablistische Erklärung las, sprang mir ins Auge, dass sie hier zum ersten Mal offen das trotzkistische Programm des revolutionären Internationalismus zugunsten der pazifistischen, diplomatischen Formulierungen der Stalinisten über Bord geworfen haben. Das ist kein Fehler oder Irrtum, sondern ein berechnender Verrat an unserem Programm, der im Namen der Vierten Internationale veröffentlicht wird.

Hier legt der Pablismus seine Maske ab und zeigt sein wahres Gesicht. Und jeder, der sehen will, wird erkennen, weshalb sie gerade diese Gelegenheit benutzten, um sich offen zu zeigen. Auf derselben Sitzung des pablistischen IS am 9. April, von der diese schändliche Erklärung ausging, wurde die Entscheidung getroffen, endgültig von den Trotzkisten zu spalten, die dem Programm des revolutionären Internationalismus treu bleiben. Diese beiden Schritte passen zusammen. Die Pablisten mussten ihre letzte Verbindung zu den Trotzkisten kappen, bevor sie ihre diplomatischen Formulierungen fallenließen und ihr wirkliches Programm offenlegten.

Von nun an werden wir noch mehr dergleichen sehen, und alles wird klarer werden. In der internationalen Arena besteht unser Interesse von nun an nicht mehr darin, mit den pablistischen Schurken über organisatorische Formalitäten und technische Fragen zu zanken, sondern die Kräfte des internationalen Trotzkismus zu festigen im Kampf, das Programm der Vierten Internationale zu verteidigen und ihr Banner von dem stalinistischen Schmutz zu reinigen, mit dem es die pablistische Bande beworfen hat …

Alle organisatorischen Formalitäten und technischen Fragen, ob sie nun im Einzelfall berechtigt waren oder nicht, die früher vielleicht ein Diskussionsthema für die Kräfte des orthodoxen Trotzkismus waren, sind jetzt weggewischt und nutzlos. Von nun an zählt nichts außer den politischen Prinzipien, die die Trotzkisten von den stalinistischen Agenten und Apologeten unterscheiden. Nur auf dieser Grundlage kann sich die internationale Bewegung neu formieren. Das ist die wirkliche Lage, davon müssen wir ausgehen. Nichts anderes zählt jetzt.[5]

Nach der Spaltung gab es im Internationalen Komitee Diskussionen darüber, wie der Kampf gegen die Pablisten am effektivsten geführt werden könne. Cannon legte richtigerweise die Hauptbetonung auf die Notwendigkeit, die Reihen der orthodoxen Trotzkisten durch einen unnachgiebigen politischen und theoretischen Kampf gegen die Revisionisten zu festigen. Von politischen oder organisatorischen Zugeständnissen im Namen einer zur Schau gestellten Einheit wollte er nichts wissen. Er missbilligte alle Vorschläge zu weiteren Diskussionen mit den Revisionisten, die den wesentlichen politischen Kampf zu untergraben drohten.

Es gab einen weiteren Faktor in der politischen Gleichung, der den Kampf gegen die Pablisten komplizierte. Die Lanka Sama Samaja Party (LSSP), die ceylonesische Sektion der Vierten Internationale, hatte sich aus scheinbar rein organisatorischen Gründen gegen die Spaltung gewandt. Sie benutzte einen Kniff aus der Trickkiste der Zentristen und behauptete, sie sei zwar vollkommen gegen Pablos Revisionen des trotzkistischen Programms, aber der »Offene Brief« sei ein Fehler gewesen. Die weitere Entwicklung der LSSP sollte schließlich die völlig reaktionäre politische Einstellung zutage fördern, die ihren Einwänden gegen die Spaltung zugrunde lag. In Wirklichkeit wollten die LSSP-Führer ganz einfach deshalb keinen Kampf gegen den Zentrismus in der Vierten Internationale, weil das unweigerlich die opportunistische Linie gestört hätte, die sie in Ceylon entwickelten.

Die Position der LSSP komplizierte die Lage der orthodoxen Trotzkisten. Ihre Opposition gegen die Spaltung kam Pablo zugute und ihre Behauptung, politische Gegner Pablos zu sein, verführte Elemente innerhalb des Internationalen Komitees zu falschen Hoffnungen, die LSSP könne für die Position der »orthodoxen Trotzkisten« gewonnen werden, sobald alle politischen Fragen einmal geklärt seien. Bevor das doppelte Spiel der LSSP endlich entlarvt wurde, wurde viel Energie darauf verschwendet, den organisatorischen Empfindlichkeiten der Ceylonesen gerecht zu werden. Auf diesem Wege kam 1954 zum ersten Mal die Frage eines paritätischen Komitees auf. Die LSSP trat für eine organisatorische Mittlerstelle ein, mit deren Hilfe eine unwiderrufliche Spaltung vermieden werden und ein Weltkongress aller Fraktionen einberufen werden sollte.

Im Februar 1954 informierte Cannon die LSSP, dass ein Weltkongress seiner Meinung nach nicht eine Spaltung überwinden könne, die auf unversöhnliche politische Differenzen zurückging. Insbesondere wandte er sich gegen die Auffassung, die Vierte Internationale könne eine »allumfassende« Dachorganisation für verschiedenartige Organisationen sein. Aber Cannon wies die Vorschläge der LSSP nicht sofort zurück. Nachdem die LSSP ihre Kritik an Pablos »Aufstieg und Niedergang des Stalinismus« veröffentlicht hatte – in der die Ceylonesen anerkannten, dass das »Leitmotiv« der Pablisten »nicht nur zu einer grundlegenden Revision der Positionen des Trotzkismus in Bezug auf den Stalinismus führt, sondern der trotzkistischen Bewegung auch jede Berechtigung ihres Fortbestehens abspricht« –, ließ sich Cannon davon überzeugen, dass die ceylonesische Partei vielleicht für das Internationale Komitee gewonnen werden könnte.

Er dachte noch einmal über den Vorschlag der LSSP nach, irgendein paritätisches Komitee zu schaffen, über das formelle Beziehungen zwischen dem Internationalen Sekretariat und dem IK organisiert werden könnten, um einen gemeinsamen Vierten Weltkongress vorzubereiten. Aber in einem Brief vom 12. Mai 1954 warnte er Leslie Goonewardene in aller Deutlichkeit, dass »alle Versuche, eine Wiedervereinigung auf organisatorischer Ebene einzuleiten, mit einem Fehlschlag geendet haben, wenn die politischen Fragen nicht vollständig geklärt wurden und nicht beide Seiten wirklich gewillt waren, sich trotz klar festgestellter und erkannter Differenzen zu vereinigen«.[6]

Währenddessen verfolgten die Pablisten ungeachtet der formalen Opposition der LSSP ihre Pläne für einen unabhängigen Vierten Weltkongress weiter. Damit bestätigten sie einfach den unwiderruflichen Charakter der Spaltung. Trotzdem drängte die LSSP weiterhin auf ein paritätisches Komitee. Im Sommer 1954 trafen sich Colvin de Silva und Goonewardene mit Healy in London und überzeugten ihn, ihrem Vorschlag zuzustimmen.

Healy hatte das doppelte Spiel der LSSP noch nicht durchschaut und drängte Cannon in einem Brief, den er am 8. Juli 1954 gemeinsam mit Sam Gordon verfasst hatte, dem Vorschlag der Ceylonesen zur Bildung einer paritätischen Kommission zuzustimmen:

Sie forderten uns dazu auf [den Vorschlag einer paritätischen Kommission zu unterstützen], »um ihnen zu helfen, den Kampf zu organisieren« (so drückten sie sich aus). Während sie ihre formalen Bindungen zu Pablo aufrechterhalten, besteht ihre Perspektive zweifellos darin, mit uns zusammenzuarbeiten.

Nach reiflicher Überlegung sehen wir keine andere vernünftige Möglichkeit, als dem IK zur Annahme ihres Vorschlags zu raten. Was sollten wir verlieren können, wenn wir zustimmen? Wir verpflichten uns zu nichts außer zu einem Treffen. Wir bewahren unsere völlige Handlungsfreiheit. Das Einzige, was wir tun, ist ein Vehikel zu schaffen, durch das wir eine formale Verbindung zu den Ceylonesen haben, die sie so sehr wünschen und die in ihren unmittelbaren Überlegungen an erster Stelle steht.[7]

Dobbs schrieb am 14. Juli 1954 an Cannon und drängte ihn, den Vorschlägen der LSSP zuzustimmen, so wie Healy und Gordon in ihrem Brief rieten, obwohl Pablo bereits seinen falschen Vierten Kongress in die Wege geleitet hatte:

Wir stehen jetzt vor folgender Frage: Sollen wir daran festhalten, dass die Einberufung des Vierten Kongresses die endgültige Spaltung bedeutet, oder sollen wir auf den ceylonesischen Vorschlag eingehen, eine paritätische Kommission zu bilden, um eine gemeinsame Diskussion und eine gemeinsame Konferenz zu organisieren? …

Wir wären vollkommen im Recht, wenn wir den Standpunkt einnähmen, dass die Entscheidung der Versammlung des Rumpfs, sich als »Vierter Kongress« zu bezeichnen, die endgültige Spaltung bedeutet. Aber auf dieser Grundlage jegliche Beziehungen zu den Elementen auf dem Kongress des Rumpfs abzulehnen, die sich vom IK angezogen fühlen, hieße organisatorische Barrieren aufbauen, die den Pablisten zugutekommen würden, um diese Elemente in Pablos revisionistischem, liquidatorischem Netz gefangen zu halten.[8]

Zögernd stimmte Cannon dem Vorschlag zu, aber innerhalb weniger Monate machte er die Zustimmung rückgängig und wandte sich gegen jegliche organisatorische Initiativen, die auf eine Hinwendung zur Wiedervereinigung der Trotzkisten mit den Pablisten hindeuten könnten. In einem Brief an Healy vom 8. Dezember 1954 schrieb Dobbs:

Rückblickend auf die jüngsten Ereignisse denken wir jetzt, dass wir einen Fehler gemacht haben, als wir uns auf die Einrichtung einer paritätischen Kommission mit den Pablisten, wenn auch auf sehr beschränkter Grundlage, orientierten. Es können Illusionen geschaffen werden, die der Verwirklichung unserer grundlegenden Ziele schließlich im Wege stehen.

Seit dem Offenen Brief haben die Kräfte, die um das Internationale Komitee zusammengeschlossen sind, den Pablismus als eine revisionistische, liquidatorische Tendenz verurteilt, die sich Folgendes zuschulden kommen lässt: Verwerfung des Übergangsprogramms; Zurückweisung der Unvermeidbarkeit der politischen Revolution gegen die stalinistische Bürokratie und Erwartung ihrer Selbstreform; Abdeckung der Verrätereien der Stalinisten; eine versöhnlerische Haltung gegen feindliche politische Tendenzen überhaupt; Liquidierung der Bewegung durch die Taktik des »tiefen Entrismus«; Organisierung einer geheimen persönlichen Fraktion; Unterdrückung der demokratischen Diskussion in der Bewegung; Knebelung führender Genossen in den ausführenden Organen und in den Sektionen; von einer Minderheit provozierte Spaltungen und bürokratische Ausschlüsse – alles Bestandteile einer Verschwörung, um diese revisionistisch-liquidatorischen Ziele durch einen Staatsstreich der Minderheit auf einem Kongress des Rumpfs zu erreichen.[9]

In späteren Jahren sollte die SWP so tun, als sei die Spaltung eben ein Fehler gewesen. Aber Dobbs’ Brief, der mehr als ein Jahr nach der Spaltung geschrieben wurde, beweist, welch enorme Bedeutung die SWP ursprünglich dem Kampf gegen den Pablismus beigemessen hatte.

Die Spaltung mit dem Pablismus ist daher bereits endgültig, und es bleibt nur noch eine Aufräumarbeit, um so viele verwirrte Elemente zu retten, wie wir können, wobei wir eine Einheit nur mit denjenigen akzeptieren, die bereit sind, mit allem zu brechen, was der Pablismus vertritt. Unser grundlegendes Problem besteht also nicht in einer Vereinigung. Unsere Aufgabe besteht darin, die Kräfte zu festigen, die mit Pablo gebrochen haben, und die Spaltung in den pablistischen Reihen zu vertiefen.[10]

Dobbs’ abschließendes Urteil über die Endgültigkeit der Spaltung war, wie sich später herausstellte, verfrüht. Darüber hinaus besteht Grund zu der Annahme, dass Cannons unvermittelte Ablehnung der paritätischen Kommission zumindest teilweise durch seine Erkenntnis motiviert war, dass die Reihen der SWP nicht so fest geschlossen waren, wie er in seinen Briefen behauptet hatte. Es spricht einiges dafür, dass Cannon den Verdacht hatte, eine lange Diskussion über den Charakter des Pablismus werde die Existenz starker revisionistischer Tendenzen innerhalb der SWP-Führung ans Tageslicht bringen. Daher bestand die Gefahr, dass irgendwelche organisatorischen Beziehungen zu dem Internationalen Sekretariat Pablo eine weitere Möglichkeit verschaffen würden, in der aufgewühlten SWP nach Anhängern zu fischen.

Ganz sicher löste die Spaltung nicht die politischen Probleme, die sich darin geäußert hatten, dass viele SWP-Führer, zum Beispiel Dobbs, die Notwendigkeit eines Kampfs gegen die Cochranisten nur zögernd akzeptiert hatten. Wie wir bald sehen werden, gab es Ende 1954 schon bedrohliche Anzeichen einer immer tieferen politischen Krise innerhalb der SWP. Aber worin letztlich die Beweggründe Cannons und anderer Führer auch bestanden, so war ihre Analyse des Pablismus doch vollkommen richtig und ihre allgemeinen Schlussfolgerungen völlig gerechtfertigt.

Die Idee eines paritätischen Komitees kann bestenfalls als Mittel dienen, Zeit zu gewinnen bis zur offenen, im vollsten Sinne offiziellen Spaltung mit den Pablisten. Die Zeit arbeitet für uns in unserem Bemühen, für Klarheit bei den verwirrten und zögernden Elementen zu sorgen, die bis zu einem gewissen Grade in der formalen Struktur des Pablismus bleiben. Die erfreulichen Entwicklungen, die Du aus Deutschland und Italien berichtest, unterstreichen diese Tatsache. Aber wir müssen aufpassen, dass wir keinerlei Illusionen unter den Ceylonesen, Deutschen, Italienern oder anderen nähren, es könne ein längeres Auskommen mit den Pablisten geben. Diese Genossen dürfen nicht auf die Idee kommen, sie könnten einen klaren Bruch mit dem Pablismus vermeiden, und wir würden auf der Grundlage eines Modus Vivendi mit Pablo in das alte Nest zurückkommen …

Unsere Plattform lässt kein gemeinsames Exekutivorgan mit den Pablisten zu. Sie erfordert genau das Gegenteil, denn wir legen das Hauptgewicht auf die Festigung der trotzkistischen Kräfte und eine endgültige Trennung vom Pablismus. Daher gibt es keine exekutiven Belange, die eine paritätische Kommission erfordern. Unsere Dokumente werden nicht der »gemeinsamen« Diskussion mit den Pablisten dienen, sondern der Klärung der Trotzkisten und der Ausarbeitung der trotzkistischen Plattform. Über den Charakter und Umfang unseres Diskussionsmaterials gibt es mit den Pablisten nichts zu verhandeln.[11]

In seiner Antwort an Dobbs mit Datum vom 16. Dezember 1954 trat Healy dafür ein, das paritätische Komitee nicht fallenzulassen und stellte fest:

Es gibt in den pablistischen Reihen einige sehr wichtige Elemente. Wir wollen nicht, dass sie durch die Sackgasse des Pablismus demoralisiert werden …

Die Ceylonesen, ebenso die Bolivianer und Lateinamerikaner sind ein wesentlicher Bestandteil unserer Weltbewegung, und sie bleiben innerhalb von Pablos Organisation. Meiner Meinung nach stehen uns einige von ihnen (die Ceylonesen) sehr nahe und müssen für den orthodoxen Trotzkismus gewonnen werden. Das ist eine dringende und unausweichliche Aufgabe. Außerdem schließe ich daraus, dass der Kampf noch lange nicht beendet ist und dass wir aus dem einfachen Grund nicht allein auf die Zeit bauen können, weil sich seit Juni international nichts mehr bewegt. Die internationale Bewegung hat heute keine umfassende politische Perspektive.[12]

Obwohl Healy seine Einwände bald zurückzog, argumentierte die SWP-Führung heftig dagegen, dass das IK einem paritätischen Komitee zustimmen sollte, um die Ceylonesen zufriedenzustellen. In einem Brief an den IK-Sekretär Gerard Bloch mit Datum vom 12. Februar 1955 schrieb Dobbs:

Es sind einige taktische Differenzen darüber aufgetaucht, wie man am besten mit den Ceylonesen und anderen Versöhnlern umgeht. Wir sind allerdings der Meinung, dass diese Differenzen zum größten Teil episodischer Natur sind und auf Missverständnissen beruhen.

Wie sollen wir mit dem Problem dieser Versöhnler umgehen? Ihre einzige Sorge besteht darin, einem klaren Standpunkt auszuweichen; und das glauben sie erreichen zu können, wenn sie eine Formel für einen Modus Vivendi zwischen den Trotzkisten und den Pablisten finden. Aber ein solcher Modus Vivendi ist nicht möglich. Die Organisationen, die dem IK angeschlossen sind, haben Pablos politische und organisatorische Methoden kategorisch zurückgewiesen. Sie sind direkt durch die Erfahrung von bitteren, unversöhnlichen Kämpfen und Spaltungen mit Pablos Agenten in ihren eigenen Reihen gegangen.

Sie sind sich völlig im Klaren über den gewaltigen Schaden, den der Pablismus der Weltbewegung zugefügt hat, und denken gar nicht daran, in dieser Frage eine weichere Haltung einzunehmen.

In Wirklichkeit ist es so, dass wir, wenn wir die Frage des paritätischen Komitees gleich zu Beginn gründlich durchdacht hätten, schon den ersten Vorschlag dazu sofort abgelehnt hätten. Es gibt zahlreiche Gründe für die Ablehnung dieses Vorschlags, nicht zuletzt den, dass man ihn zum Wohle der Ceylonesen hätte ablehnen sollen. Die beste Art und Weise, den Ceylonesen zu begegnen, besteht darin, ihnen über alle Zweifel hinaus klar zu machen, dass es keine Manöver zwischen den Trotzkisten und den Pablisten geben kann. Von diesem Standpunkt aus ist ein paritätisches Komitee keine Hilfe, sondern ein Hindernis dafür, die Ceylonesen zur uneingeschränkten Unterstützung des IK zu gewinnen.[13]

Während der folgenden Monate trat vor allem der chinesische Trotzkist Peng Shuzhi für das paritätische Komitee und andere Einheitstaktiken ein. Er war in der Illusion befangen, der Pablismus sei lediglich eine vorübergehende Krankheit innerhalb der Vierten Internationale. Obwohl Peng den Pablismus scharf kritisiert hatte, unterschätzte er die Bedrohung, die von ihm ausging. Die Weigerung verschiedener Sektionen, mit dem Pablismus zu brechen, betrachtete Peng als unglückseligen Fehler, der schnell berichtigt werden könne, wenn das IKVI nur einem paritätischen Komitee zustimmen würde. Am klarsten zeigten sich seine Illusionen in einem Brief, den er am 8. September 1955 an Farrell Dobbs schrieb:

Von ihrer Politik her ist die LSSP eine vollständig trotzkistische Partei. (Darüber hinaus ist sie eine Partei in unserer Bewegung, die wirklich eine Massenbasis hat.) Diese Tatsache wird von allen anerkannt. Der einzige Grund, dass sie immer noch im IS bleibt, besteht in ihrer Beschränkung durch organisatorische Formfragen, aber sie wünscht ernsthaft eine allgemeine Diskussion vermittels des paritätischen Komitees, um Pablos Revisionismus wegzufegen und alle Trotzkisten zu vereinen. Bis heute haben die indischen Trotzkisten ihre Meinung noch nicht geäußert, aber weil sie traditionell eng mit der LSSP verbunden sind, sind sie wahrscheinlich von ihr beeinflusst.[14]

Pengs Vertrauen in die LSSP – das damit zusammenhing, dass er die Klassengrundlage des Pablismus nicht verstand – kam noch deutlicher in einem Brief zum Ausdruck, den er am 15. Dezember 1955 an Healy schrieb. Darin erhob er Einspruch gegen die Kritik des britischen Führers an der ceylonesischen Bewegung. Die LSSP, betonte er,

hat nicht nur die traditionelle trotzkistische Position politisch aufrechterhalten, sondern ist auch die einzige Sektion in unserer Bewegung, die wirklich über eine Massenbasis verfügt und erfolgreich eine landesweite Massenbewegung geführt hat. Gerade deswegen hat sie bei allen Trotzkisten auf der Welt Ansehen gewonnen, besonders unter den Genossen im Orient. Unsere Hauptaufgabe sollte darin bestehen, sie zu ermutigen und zu unterstützen (ohne berechtigte Kritik zu verschweigen) und zu versuchen, eng mit ihr zusammenzuarbeiten, um die trotzkistische Bewegung im Orient zu entwickeln.[15]

Dobbs gab eine geharnischte Antwort auf Pengs Plädoyers für die LSSP. In einem Brief vom 30. Januar 1956 schrieb er:

Wir stellen fest, dass die LSSP nach wie vor auf ein paritätisches Komitee drängt, um eine Diskussion zu organisieren und eine vereinigte Konferenz vorzubereiten. Die Pablisten werfen sich in die verlogene Pose einer vereinigenden Kraft und hacken auf dieser Frage herum, um das IK als »Spalter« zu brandmarken, weil es ihrer Forderung nach einem paritätischen Komitee nicht nachkommt. Die LSSP ist der pablistischen Demagogie zu Hilfe geeilt, indem sie dem IK dessen Haltung gegen das paritätische Komitee vorhielt und zu verstehen gab, dass sie auch weiterhin über dem politischen Kampf stehen werde …

Natürlich sollte das IK versuchen, die Unterstützung orthodoxer Trotzkisten zu gewinnen, die immer noch in Pablos Falle sitzen. Aber es wäre gefährlich, mit der Frage der Einheit zu manövrieren, um ein paar Leute zu retten, die im gegenwärtigen Stadium des Kampfs gegen die Pablisten zurückgefallen sind. Wirkliche Einheit kann es nur mit denjenigen geben, die bereit sind, klar und offen organisatorisch und politisch mit dem Pablismus zu brechen. Es wäre ein Fehler, zu glauben, eine formale Diskussion durch ein paritätisches Komitee werde sie in die Lage versetzen, den Widerspruch zwischen ihren politischen Anschauungen und ihren organisatorischen Bindungen zu lösen …

Das paritätische Komitee wird in Wirklichkeit zu einem Hindernis, diejenigen orthodoxen Trotzkisten zu beeinflussen, die noch von Pablo umgarnt werden, und nährt die Idee, dass sie einen endgültigen Bruch mit dem Pablismus vermeiden können. Es enthält den Beigeschmack einer Wiedervereinigung, obwohl die politischen Fragen alles andere als geklärt sind. Es verschafft den Pablisten eine Chance zu neuen Manövern und trägt dazu bei, wieder politische Verwirrung zu schaffen.

Wir würden es für einen Fehler halten, unsere taktische Linie der Politik der LSSP anzupassen. Sie wollen sich im internationalen politischen Kampf nicht entscheiden. Ihre Linie unterstützt Pablo in taktischer Hinsicht und trägt zur politischen Verwirrung bei. Sie ist eine politische Bankrotterklärung ihrerseits.

Auf dem Kongress des Rumpfs stimmte die LSSP für Pablos Hauptresolution, nachdem ihre Kritikpunkte darin berücksichtigt worden waren. Dies war ein desorientierender politischer Kompromiss und hatte nichts zu tun mit einem Kampf für eine prinzipielle politische Linie, die auf trotzkistischen Grundsätzen aufbaut. Sie sind einer direkten Verurteilung des Pablismus ausgewichen und stellen sich jetzt über den politischen Kampf, in Erwartung der »Dokumente von beiden Seiten«.

Es beruht nicht einfach auf einem Missverständnis, dass die Genossen der LSSP eine schwankende, versöhnlerische Position einnehmen. Ihre Taktik scheint auf nationalem Opportunismus zu beruhen. Unserer Meinung nach ist es das Beste, alle Manöver mit ihnen aufzugeben und ihren Fehler unmissverständlich beim Namen zu nennen. Gleichzeitig sollten wir der LSSP auch weiterhin unsere Dokumente schicken.

Eine Untersuchung der Gründe für ihre versöhnlerische Haltung wird nur die Notwendigkeit unterstreichen, dass wir einen festen Standpunkt gegen ihr Versöhnlertum einnehmen. Sie mussten nicht gegen eine pablistische Fraktion kämpfen. Sie sind im Allgemeinen weit entfernt von dem internationalen Fraktionskampf und vor allem mit den Problemen ihrer eigenen Massenbewegung beschäftigt. Sie legen den Wunsch an den Tag, in Ruhe gelassen zu werden, während Pablo und das IK irgendeinen Modus Vivendi finden sollen, durch den der Entscheidungskampf wenigstens hinausgezögert wird.

Wir denken, dass die LSSP erst dann einen klaren politischen Standpunkt einnehmen wird, wenn man ihr keinen Raum für Manöver mehr lässt. Das paritätische Komitee ist deswegen keine Hilfe, sondern ein Hindernis, um ihre uneingeschränkte Unterstützung für das IK zu gewinnen. Wir teilen völlig Deinen Wunsch, mit ihnen zusammenzuarbeiten, um die trotzkistische Bewegung im Orient zu entwickeln. Aber wenn unsere politischen Endziele erreicht werden sollen, dann muss sich diese Zusammenarbeit auf eine prinzipielle politische Linie und einen entsprechenden organisatorischen Weg gründen.[16]

Dann wies Dobbs Pengs Argument zurück, die »Gärung« in den Reihen der Kommunistischen Partei Frankreichs sei ein Grund, eine organisatorische Lösung für das Problem des pablistischen Revisionismus zu finden.

So wichtig es, wie Du betont hast, ist, die Gärung in den Reihen der französischen Stalinisten auszunutzen, so ist es noch wichtiger, dass die Anhänger des IK für diese Arbeit eine klare, richtige politische Linie haben, die sie durch Diskussionen untereinander erarbeiten müssen. Die IK-Diskussion durch ein paritätisches Komitee zu überspringen, würde unserer Meinung nach nur Verwirrung in der französischen Sektion stiften und unsere Möglichkeiten zu effektiver Arbeit unter den Stalinisten noch weiter einschränken.

Aus all den angeführten Gründen halten wir das paritätische Komitee zum gegebenen Zeitpunkt nicht für nützlich. Wir denken, es würde sogar Schaden anrichten. Wir schlagen stattdessen folgende allgemeine Richtlinien vor, wie man verfahren sollte:

1. Klärung und Festigung unserer politischen Positionen durch vollen und freien Meinungsaustausch zwischen den Gesinnungsgenossen im IK.

2. Während im IK eine klar umrissene Linie ausgearbeitet wird, versuchen wir, die orthodoxen Trotzkisten, die immer noch von Pablo gehalten werden, zu gewinnen, indem wir ihnen unsere Dokumente durch Veröffentlichung und nach Möglichkeit durch direkten Kontakt zugänglich machen.

3. Wir arbeiten auf eine Vereinigung aller orthodoxen Trotzkisten auf folgender Grundlage hin: gemeinsame politische Positionen und ordentliche organisatorische Beziehungen; Zurückweisung der pablistischen revisionistischen Politik und organisatorischen Methoden.[17]

Diese Briefe legen Zeugnis ab, welche gewaltige politische Veränderung sich im März 1957 abzeichnete, als Cannon in einer Antwort auf ein weiteres Schreiben L. Goonewardenes zum ersten Mal zu verstehen gab, dass die SWP eventuell nicht abgeneigt wäre, die Spaltung organisatorisch beizulegen, ohne die politischen Fragen zu lösen, die zu dem Kampf von 1953 geführt hatten. Über drei Jahre lang hatte die SWP ununterbrochen darauf beharrt, dass der Bruch mit dem Pablismus unwiderruflich sei. Sie hatte darauf bestanden, dass die Lehren aus der Spaltung die Grundlage für die Neuerziehung des gesamten internationalen Kaders bildeten und dass kein Kompromiss mit den Revisionisten möglich war. Und doch änderte die SWP ohne vorherige Diskussion im IK plötzlich ihre Position. Die britische Sektion des IKVI, die ihre Forderung nach einem paritätischen Komitee auf Drängen von Cannon und Dobbs 1954 zurückgezogen hatte, hatte vollkommen recht, als sie alarmiert auf Cannons Angebote an die LSSP und die Pablisten reagierte.

Um die Bedeutung dieser Veränderung zu verstehen, muss man genauer untersuchen, was zwischen 1954 und 1957 in der SWP vor sich ging. Nur so kann man die Beziehung zwischen dem Klassenkampf in den Vereinigten Staaten, der politischen Degeneration der SWP und ihrem Streben nach einer prinzipienlosen Wiedervereinigung konkret verstehen.


[1]

Cliff Slaughter (Hrsg.), Trotskyism Versus Revisionism: A Documentary History, Bd. 4, The International Committee Against Liquidationism, London 1974, S. 20.

[2]

Banda behauptet, er habe Mitte der fünfziger Jahre einen erbitterten Kampf gegen Healys Anpassung an Messali Hadj geführt, den Führer der MNA (Algerische National­bewegung). In gequältem Ton schildert er, wie er angewiesen worden sei, für die »Labour Review« einen Artikel zur Unterstützung der MNA zu schreiben. »Als ich mich weigerte, wurde ich von Healy und der Redaktion der ›Labour Review‹ mit zwanzig gegen eine Stimme dazu verpflichtet. Ich gebe zu, das war eine der schändlichsten Episoden in meiner politischen Laufbahn.«Bandas Gedächtnis lässt ihn wieder einmal im Stich. Von Scham und Schande, die er jetzt entdeckt, ist in dem betreffenden »Labour Review«-Artikel von 1958 (nicht 1957!) keine Spur zu entdecken. Bandas Artikel gab eine sorgfältige Darstellung der Klassenkräfte, die von den verschiedenen Tendenzen innerhalb der algerischen Bewegung vertreten wurden. Er verfolgte die MNA und die FLN (Nationale Befreiungsbewegung) auf ihre Ursprünge zurück und dokumentierte die lange Verbindung von Messali Hadj mit der französischen und algerischen Arbeiterbewegung. Außerdem untersuchte er die wechselhafte Geschichte der FLN. Der Artikel machte der MNA politische Zugeständnisse und sagte ihren künftigen Verrat am nationalen Kampf nicht voraus. Aber die Verbrechen der MNA ändern nichts am Klassencharakter der FLN und deren Unterordnung der nationalen Bewegung unter die Interessen der algerischen Bourgeoisie. Banda stellte in seinem Artikel zwar fest, dass die MNA keine sozialistische Partei war, bezeichnete sie aber fälschlicherweise als »Vorläufer einer revolutionären Partei« (»Labour Review«, März–April 1958, S. 44). Abschließend stellte er allerdings klar: »Eines ist sicher. Die Zukunft Algeriens hängt nicht von der FLN und ihren Apologeten ab, sondern von der Arbeiterklasse und der landlosen Bauernschaft. Nur sie können die politische und ökonomische Befreiung dieses gequälten Landes durchführen.Die Aufgabe von Marxisten besteht nicht darin, die vollendeten Tatsachen zu rechtfertigen und zu verteidigen, sondern das Eintreffen des Tags zu beschleunigen, an dem die algerische Arbeiterklasse sich durch ihre unabhängigen Organisationen als der wahre Protagonist der algerischen Freiheit erheben wird.« (ebd.)Was Banda an diesem Artikel in Wirklichkeit zurückweist, ist nicht das Vertrauen in Messali Hadj, sondern seine Verteidigung der Rolle des algerischen Proletariats.

[3]

National Education Department Socialist Workers Party, Towards A History of the Fourth International, Juni 1973, Teil 3, Bd. 4, S. 218–219.

[4]

Ebd., S. 219.

[5]

Ebd., S. 233–234.

[6]

Ebd., S. 242.

[7]

Ebd., S. 244.

[8]

Ebd., S. 245.

[9]

National Education Department Socialist Workers Party, Education for Socialists: The Struggle to Reunify the Fourth Internationgal (1954–1963), Bd. 1, Mai 1977, S. 6.

[10]

Ebd.

[11]

Ebd.

[12]

Ebd., S. 7.

[13]

Ebd., S. 8.

[14]

Ebd., S. 11.

[15]

Ebd., S. 17.

[16]

Ebd., S. 18–19.

[17]

Ebd., S. 20.