Keine fünf Monate nach dem pablistischen Wiedervereinigungskongress im Juni 1963 geschah etwas, das die reaktionäre kleinbürgerliche Perspektive offenlegte, die dem Verrat der SWP am Trotzkismus zugrunde lag. Am 22. November 1963 wurde Präsident John F. Kennedy auf einer Fahrt durch Dallas ermordet. Die Reaktion der Socialist Workers Party war ohne Beispiel in der Geschichte des revolutionären Marxismus: Ihr nationaler Sekretär, Farrell Dobbs, schickte ein Beileidstelegramm an Kennedys Witwe. Am 2. Dezember 1963 wurde dieses Telegramm in »The Militant« veröffentlicht: »Die Socialist Workers Party verurteilt den brutalen Mord an Präsident Kennedy als unmenschlichen, unsozialen und kriminellen Akt. Wir sprechen Mrs. Kennedy und den Kindern in ihrer Trauer unser tief empfundenes Beileid aus …
In unserer Gesellschaft müssen politische Meinungsverschiedenheiten in geordneter Weise gelöst werden, indem nach einer freien und öffentlichen Diskussion, in der alle Standpunkte gehört werden, die Mehrheit entscheidet.«
Während der Auseinandersetzung über den Castroismus hatte Hansen argumentiert, die Behauptung der SLL, die SWP sei degeneriert, werde dadurch widerlegt, dass sie die kubanische Revolution gegen den amerikanischen Imperialismus verteidige. Aber als die SWP-Führung mit dem Mord an Kennedy konfrontiert war, da wurde sie von feiger Panik ergriffen. Die Aussicht auf eine neue antikommunistische Hexenjagd erfüllte die SWP-Führer mit hellem Entsetzen, und sie warfen sich schamlos dem US-Imperialismus zu Füßen.
Die erste Nummer von »The Militant« nach dem Mord, die Ausgabe vom 2. Dezember 1963, zitierte beifällig die Lobeshymnen auf Kennedy anlässlich der Beerdigung des Präsidenten. Die Rede des Obersten Richters Earl Warren wurde als Beispiel für »tiefgründige und überzeugende Stellungnahmen ernsthafter Denker und Schriftsteller« angeführt. Eine Zeile aus Warrens Rede diente als Überschrift des »Militant«-Artikels: »Wenn wir dieses Land wirklich lieben, müssen wir dem Hass abschwören.«
Bandas »27 Gründe« sind überladen mit giftigen Denunziationen gegen die SWP, aber zu dieser wirklich schamlosen Episode bewahrt er ein befremdliches Schweigen. Das ist kein Zufall. Er wirft der SWP nur die Aktionen vor, die noch in ihre Zeit als trotzkistische Partei fallen, als sie die Prinzipien der Vierten Internationale verteidigte. Aber von dem Zeitpunkt an, als die SWP mit dem Trotzkismus brach, sagt Banda kein Wort über ihre tatsächlichen Verbrechen. So verurteilt er Cannons Verhalten, als er 1941 wegen Volksverhetzung in Minneapolis vor Gericht stand, als »politische Feigheit« und »Kapitulation vor den rückständigen Schichten der US-amerikanischen Arbeiterklasse«. Über die offene Solidaritätserklärung der SWP mit der amerikanischen herrschenden Klasse nur wenige Monate nach ihrer Spaltung vom Internationalen Komitee sieht er dagegen hinweg.
Die SLL verstand den Klassencharakter des SWP-Telegramms sehr gut und verurteilte es öffentlich. In einem Artikel mit der Überschrift »Marxisten und die Ermordung Kennedys« schrieb Gerry Healy:
Der Mord an Präsident Kennedy hat die literarischen und politischen Vertreter der Mittelklasse zu einer das gewöhnliche Maß überschreitenden Salve von Hysterie, Schnulzen und Lobhudelei veranlasst.
Wenn man einige Artikel der sogenannten sozialistischen und liberalen Presse über Kennedys Leben liest, dann könnte man meinen, er sei für die Freiheit der Negerbevölkerung eingetreten und, bis auf seinen Namen, in allem praktisch ein Sozialist gewesen.
Auf diese Weise versuchen die Mietlinge des internationalen Kapitals, die reaktionärste imperialistische Macht der Welt in der Stunde ihrer Krise reinzuwaschen.
Kennedy war natürlich ein sehr befähigter Vertreter seiner Klasse. Alles, was er tat, diente nur einem Ziel, nämlich der Stärkung des amerikanischen Imperialismus.
Wenn er von den Rechten der Neger sprach, dann benutzte er einfach hochtrabende liberale Phrasen, um desto besser im Dienste seiner Klasse die Negerbevölkerung auch weiterhin versklaven zu können.
Marxisten äußern keinerlei Beileid zu Kennedys Tod. Er war nichts weiter als ein imperialistischer Tyrann wie alle anderen auch.
Wir entschuldigen den Akt individuellen Terrors nicht, der zu seinem Tod führte – nicht, weil wir dieser Vorgehensweise zimperlich oder humanitär begegnen, sondern weil individueller Terror kein Ersatz für den Aufbau der revolutionären Partei ist.
Der Terrorismus ist eine Waffe, die in Wirklichkeit die Arbeiterklasse desorganisiert und ohne Führung lässt. Er schafft den Eindruck, die Beseitigung bekannter kapitalistischer Politiker und Staatsmänner könne die Probleme der Arbeiterklasse lösen.
Aber für jeden erschossenen Tyrannen steht ein neuer bereit, um ihn zu ersetzen. Nur der Sturz des kapitalistischen Systems in den Vereinigten Staaten und seine Ersetzung durch die Arbeitermacht kann die Probleme der amerikanischen weißen und schwarzen Arbeiter lösen.[1]
Healy befasste sich dann mit der Reaktion der SWP auf die Ermordung:
Als Lee Oswald den tödlichen Schuss abgab, da hat er nicht nur einen Präsidenten ermordet.
Er zerstörte auch bis auf den Grund die Lüge, dass die Socialist Workers Party in den Vereinigten Staaten eine trotzkistische Partei sei und die Traditionen fortführe, für die sie im Kampf zum Aufbau der Vierten Internationale gegründet wurde.[2]
Healy verurteilte die Stellungnahme der SWP als einen »Artikel, bei dem einem übel wird … geschrieben von feigen Liberalen, deren Blick ausschließlich auf die amerikanische Mittelklasse gerichtet ist«. Voller Verachtung spottete er über den Aufruf des Telegramms, »politische Meinungsverschiedenheiten« in »geordneter Weise« zu lösen.
Aber sicher! Erzählt das den Negern in Birmingham, Alabama, und den Bergarbeitern in Kentucky! Erzählt das den Millionen der kolonialen Völker im Kampf gegen den Imperialismus.
Klassenfragen werden nicht in geordneter, sondern in gewaltsamer Weise gelöst, denn die herrschende Klasse wird ihre Macht niemals friedlich abtreten. Für die Millionen arbeitender Menschen auf der Welt, die gegen den Imperialismus kämpfen, ist Dobbs nichts weiter als ein zusätzlicher amerikanischer Liberaler, der das »Recht« im Munde führt, um die Brutalität seiner eigenen imperialistischen Regierung zu maskieren.[3]
Healy hatte vollkommen recht, die politische Bedeutung der Reaktion der SWP auf Kennedys Ermordung zu betonen. Als sie überraschend mit einer politischen Krise konfrontiert war, die die gewaltigen Klassenspannungen unter der Oberfläche der amerikanischen Gesellschaft ausdrückte, da zeigte die SWP unmissverständlich, mit welcher Klasse sie es hielt. Man braucht nur Dobbs’ Botschaft mit der einfachen und lakonischen Bemerkung von Malcolm X vergleichen, der zwar kein Marxist war, aber die Bedeutung der Ermordung Kennedys für den amerikanischen Imperialismus viel klarer verstand als die SWP: »Wer andern eine Grube gräbt«, sagte er, »fällt selbst hinein.«
Die Reaktion der SWP auf die Ermordung Kennedys lieferte den unwiderlegbaren Beweis, dass die Wiedervereinigung mit den Pablisten mit dem Aufgeben jeder revolutionären Perspektive für die amerikanische Arbeiterklasse einherging. Aber trotzdem war es immer noch nur eine Episode. Die wirklich welthistorischen Implikationen der Wiedervereinigung zwischen der SWP und den Pablisten kamen im Juni 1964 zum Tragen, als die LSSP, die ceylonesische Sektion der pablistischen »Internationale«, in die bürgerliche Koalitionsregierung von Frau Bandaranaike eintrat. Das war der eigentliche Vierte August des Pablismus. Zum ersten Mal in der Geschichte war eine Partei, die sich trotzkistisch nannte, in eine bürgerliche Regierung eingetreten. Dieser Verrat war über viele Jahre hinweg vorbereitet worden, und die Pablisten waren voll und ganz verantwortlich für dieses politische Verbrechen. Nach dem Juni 1964 war kein Zweifel über die konterrevolutionäre Rolle des Pablismus mehr möglich.
Seit 1953 hatte sich die zunehmende politische Krise in der LSSP, ihre Verwandlung von einer revolutionären in eine reformistische Partei, in ihrer Unterstützung für Pablos liquidatorischen Kurs widergespiegelt. Die LSSP hatte sich gegen den »Offenen Brief« gewandt, ihre organisatorischen Verbindungen zum Internationalen Sekretariat aufrechterhalten und bei der Vereinigung der SWP mit den europäischen Pablisten eine Schlüsselrolle gespielt. Die Unterstützung der LSSP für die Pablisten war verbunden mit der Herausbildung starker opportunistischer Tendenzen in ihrer Führung, die immer offener für direkte politische Bündnisse mit der nationalen Bourgeoisie in Ceylon eintraten. Die Entwicklung derartiger Beziehungen, die letztendlich zum Eintritt der LSSP in eine bürgerliche Regierung führten, wurde wiederum von den Pablisten gutgeheißen.
Niemand kennt die verbrecherische Verantwortung der Pablisten für den Verrat an der ceylonesischen Arbeiterklasse besser als Banda. Er weiß, dass seit den fünfziger Jahren die Haltung des IKVI zur Politik der LSSP derjenigen der Pablisten diametral entgegengesetzt war. Nach der Spaltung von 1953 hatten sowohl Healy als auch Cannon den opportunistischen Charakter der LSSP-Führung erkannt. 1957 reagierte Healy ablehnend und feindlich auf Leslie Goonewardenes Vorschlag zur »Einheit« und hob in seinen Briefen an Cannon die rechte Orientierung der LSSP hervor. Die klare politische Scheidelinie zwischen dem IKVI und den Pablisten – der Kampf des Marxismus gegen den Opportunismus – zeigte sich am direktesten in ihrem Verhältnis zur LSSP. Aus diesem Grund versucht Banda schamlos, diese Tatsachen zu unterdrücken und die Geschichte gemäß seinen jetzigen fraktionellen Bedürfnissen umzuschreiben. Er behauptet:
Wichtiger ist das totale Versagen des IKVI, wirkungsvoll in die Entwicklung der LSSP einzugreifen, die seit 1958 immer mehr nach rechts abdriftete und Frieden schloss mit der SLFP. Von 1960 bis 1964 sagte das IK kein Wort, weil es hoffte, dass sich die Zentristen in der LSSP dem IK anschließen würden. In dieser Situation spaltete Pablo von Mandel und steigerte seine Autorität bei der Anti-Koalitions-Fraktion, indem er sich noch vor dem IK an die Gruppe um N. M. Perera und Colvin de Silva wandte.
Was für ein dreister Lügner! Schon darin, wie Banda zynisch das Jahr 1958 als Beginn der offenen Rechtswende der LSSP auswählt, zeigt sich seine Unaufrichtigkeit. Er nimmt ganz einfach deswegen 1958, um sich nicht zu der Kritik äußern zu müssen, die das IKVI bereits 1956 am Kurs der LSSP übte. Wie wir in früheren Kapiteln festgestellt haben, charakterisierte die SWP im Januar 1956 den Kurs der LSSP als »nationalen Opportunismus« und verurteilte im März 1957 in »The Militant« öffentlich den Opportunismus der LSSP gegenüber dem chinesischen Stalinismus. Im April 1957 befasste sich Healy in einem Brief an Tom Kerry ausführlich mit der Degeneration der LSSP:
Was uns unter anderem sehr beunruhigt, ist die Verschlechterung in Ceylon. Vor ein paar Tagen waren Colvin de Silva und Perera hier und versuchten nicht einmal, uns zu treffen. Wir erfuhren, dass sie ihre Politik zu Zhou Enlai verteidigten und uns als Sektierer angriffen. Es scheint dort eine deutliche Entwicklung von uns weg zu geben, und das könnte natürlich für die Zukunft von großer Bedeutung sein. 1954 standen sie politisch einigermaßen fest auf unserer Seite, aber jetzt tendieren sie zu Pablo. Hier ist ein Ausschnitt eines Berichts, den einer unserer Genossen, der mit einem englischen Pablisten sprach, unserem Exekutivkomitee vorlegte:
»Bornstein berichtete uns, dass Colvin ihn am 20. März besucht hat. Colvin R. de Silva erzählte ihm, er habe kürzlich einen Brief von Genossen G. Healy bekommen, ›in dem er aufgefordert wird, an die chinesische Delegation ganz bestimmte Forderungen zu stellen‹. Colvin erklärte, als er den Brief zu Ende gelesen hätte, habe er einen Lachanfall bekommen und gedacht, ›Healy ist übergeschnappt‹. Bornstein sagte, er habe den Brief gesehen und stimme mit Colvin darin überein, dass die in dem Brief genannten Forderungen nicht nur kindisch, sondern im gegenwärtigen Stadium unmöglich seien, weil die Stalinisten, wie Bornstein sich ausdrückte, auf dem Weg zur Besserung seien und es möglich sei, fügte Bornstein hinzu, dass die stalinistische Führung aus ihren eigenen schrecklichen Erfahrungen lerne, und das Aufstellen solcher Forderungen würde die Demokratisierung der KP in China erschweren.«[4]
Am 10. Mai 1957 schrieb Healy erneut an Cannon und brachte wieder die Frage der Krise in der LSSP auf:
Pablo kennt den Opportunismus unserer ceylonesischen Führung genau, und dementsprechend zieht er sie mit sich. Wir können zu dieser Frage nicht schweigen. Außerdem müssen wir in Rechnung stellen, dass sich die LSSP-Führer seit 1954 weiter von der orthodoxen trotzkistischen Position entfernt haben. Auf seinem Vierten Kongress nahm Pablo ein paar von ihren Zusatzanträgen auf, und sie kapitulierten. Sie stehen uns politisch jetzt ferner als je zuvor. Zum Beispiel schickte die trotzkistisch beherrschte Ceylon Federation of Labour folgende Grüße zum Ersten Mai an die russischen Gewerkschaften:
»Die Ceylon Federation of Labour schickt Euch und dem sowjetischen Volk brüderliche Grüße zum Ersten Mai und sichert Euch die Unterstützung gegen alle imperialistischen Angriffe auf Euer Land zu.« – N. M. Perera, Vorsitzender.
Kein Wort über Ungarn und die revolutionären Kämpfer in der UdSSR. Stattdessen Hilfe und Trost für die stalinistische Bürokratie, was diese wiederum benutzen wird, um ihre Kontrolle über die sowjetischen Massen zu festigen.[5]
Banda kennt natürlich diese Briefe, vermutlich hat er sie zusammen mit Healy aufgesetzt. Aber er erwähnt sie nicht, denn sie unterstreichen die Opposition des Internationalen Komitees gegen den Opportunismus der LSSP, dem die Pablisten Vorschub leisteten. Wenn es nicht seinen jetzigen politischen Bedürfnissen zuwiderliefe, dann könnte Banda ganze Bände schreiben über die hinterhältige Rolle von Mandel und Pablo, die den Boden bereiteten für den Verrat der LSSP.
Als 1956 mit Unterstützung der Gruppe von Philip Gunawardena die bürgerliche Sri Lanka Freedom Party (SLFP) an die Macht kam und die MEP-Regierung (Mahajana Eksath Peramuna/Vereinigte Volksfront) bildete, gab ihr die LSSP kritische Unterstützung, während das revisionistische Internationale Sekretariat der »unwiderruflichen Bewegung« zum Sozialismus applaudierte. Die Bandaranaike-Regierung versuchte, den allgemeinen Aufstand der Massen und die Bedingungen des westlichen Wirtschaftsbooms auszunutzen, um einige Vorteile für die einheimische Kapitalistenklasse herauszuschlagen, und schuf sogar kurzfristig die Illusion, dass die nationale Bourgeoisie sich vom Imperialismus unabhängig machen könne.
Bandaranaike verstaatlichte das Verkehrswesen und den Hafen von Colombo, schloss die imperialistischen Militärbasen in Trincomalee und Katunayake, schützte den Binnenmarkt gegen das Eindringen billiger Waren aus den imperialistischen Ländern und benutzte die Einnahmen aus Tee und Kautschuk, um die Entwicklung der einheimischen Industrie zu fördern. Mit diesen Maßnahmen war die Findigkeit der sri-lankischen Bourgeoisie auch schon erschöpft. Gleichzeitig führte sie eine bösartige chauvinistische Politik gegen die Tamilen und Plantagenarbeiter ein.
Durch die gesteigerten Aktivitäten im privaten und öffentlichen Sektor wuchs die Arbeiterklasse beträchtlich an. Bandaranaikes anti-imperialistische Demagogie konnte jedoch die Forderungen der Arbeiterklasse nach einem besseren Lebensstandard nicht eindämmen, und die Arbeiter rangen dem Staat bedeutende Zugeständnisse ab. Die LSSP musste diese Kämpfe gezwungenermaßen anführen.
Als Bandaranaike die demokratischen Rechte der Arbeiterklasse durch Sicherheits- und Notstandsgesetze einschränken wollte, organisierte die LSSP einen eintägigen Generalstreik, den die Stalinisten natürlich brachen. Teile der einheimischen Bourgeoisie gerieten in Konflikt mit Bandaranaike, weil er gegen die Militanz der Arbeiterklasse nicht ankam, und ließen ihn 1959 ermorden.
Zu diesem Zeitpunkt war die Degeneration der LSSP bereits weit fortgeschritten. In den Wahlen von 1960 vertrat die Partei zum ersten Mal in ihrer Geschichte die Perspektive, durch das Parlament an die Macht zu kommen. Sie bewarb sich um 100 Sitze, gewann jedoch nur 15. Aus den Wahlen ging hervor, dass die Kapitalistenklasse eine Rückkehr der alten United National Party (UNP) anstrebte, die dann im März 1960 eine Minderheitsregierung bildete. Als diese neue Regierung unmittelbar nach ihrer Regierungserklärung zum Amtsantritt zusammenbrach, beschloss die LSSP, in den Wahlen im Juli 1960 die SLFP zu unterstützen.
Auf der Parteikonferenz von 1960 brachte N. M. Perera eine Resolution für eine Koalitionsregierung mit der SLFP ein. Die Konferenz nahm die Resolution an, aber das Zentralkomitee brachte sie wieder zu Fall. Pereras Argumente lagen auf einer Linie mit den Auffassungen, die Pablo schon seit Jahren vertrat. Pereras Resolution erklärte:
Konkret … wird die LSSP folgende Schritte unternehmen müssen. Als Allererstes muss sie für den bevorstehenden Wahlkampf einen Pakt abschließen, dass man sich nicht gegenseitig Stimmen streitig macht. In der Kampagne selbst müssen wir uns bereit erklären, eine Regierung der SLFP (Sri Lanka Freedom Party) zu unterstützen. Dabei darf es keine einschränkenden Bedingungen geben, sonst schwächen wir die Kräfte, die bereit sind, sich um eine alternative Regierung zusammenzuschließen. Zweitens müssen Schritte unternommen werden, um im Hinblick auf die Bildung einer gemeinsamen Regierung zu einer programmatischen Einigung mit der SLFP zu kommen …
Man kann einen solchen Aktionskurs als Klassenkollaboration verunglimpfen und in Bausch und Bogen verurteilen. Dieser Vorwurf der Klassenkollaboration wäre nur haltbar, wenn wir den Klassencharakter der SLFP als kleinbürgerliche Partei nicht anerkennen würden. In Bezug auf reformistische sozialdemokratische Parteien ist eine solche Entrismus-Taktik jedenfalls nichts Neues. Wenn wir Regierungsverantwortung übernehmen, dann treiben wir den Entrismus zugegebenermaßen einen Schritt weiter. Aber ist dies nicht der beste Weg, die Massen durch die Erfahrung zu führen, die notwendig ist, um ihre Illusionen zu vertreiben und Vertrauen in unsere Aufrichtigkeit zu schaffen? Ein paar von uns geförderte, kühne progressive Maßnahmen werden ihnen ermöglichen, mehr zu lernen als durch unsere jahrelange Propaganda. Diese Maßnahmen werden im Einklang mit unserem sozialistischen Programm stehen und unsere sozialistische Politik vorwärtsbringen.[6]
Am 16. September 1960 schrieb das Internationale Sekretariat ein ausführliches, für die Mitgliedschaft der LSSP bestimmtes Dokument, das jeden Punkt der Kapitulation der LSSP vor der SLFP rechtfertigte:
Insbesondere nach der Ermordung Bandaranaikes herrschte eine gefährliche Situation. Die politische Führung der Kapitalistenklasse erzwang diese Krise. Der Tod des Premierministers und die Schwächung des parlamentarischen Einflusses der SLFP führten dazu, dass eine Mehrheit der Mittelklasse-Bevölkerung von der UNP, der Partei der Imperialisten, angezogen wurde. Währenddessen begannen reaktionärere Schichten, sich Hoffnung auf eine starke Regierung außerhalb des parlamentarischen demokratischen Systems zu machen … Mit anderen Worten, die Massen waren zwar bereit, ihre Errungenschaften zu verteidigen, nicht aber, eine antikapitalistische Bewegung auf revolutionärer politischer Grundlage zu bilden.[7]
All diese Argumente waren Rationalisierungen, um den Opportunismus der LSSP zu rechtfertigen. Das Internationale Sekretariat passte sich der Kapitulation der LSSP vor der SLFP an und erklärte:
Wir akzeptieren, dass eine revolutionäre Partei in einem kolonialen oder halbkolonialen Land eine Regierung, die nicht die Arbeiterklasse vertritt (sondern die Mittelklasse oder die Kapitalisten), kritisch unterstützen kann. Aber diese Unterstützung sollte an zwei wichtige Bedingungen geknüpft sein. Eine davon ist die Unterstützung progressiver Maßnahmen, die den Sieg der revolutionären Bewegung begünstigen. Die andere ist die Erziehung der Massen, die unter der Führung der Kapitalisten- oder Mittelklasse stehen. Dies bedeutet noch nicht eine konsequente, direkte und bedingungslose Unterstützung von Regierungen, die nicht die Arbeiterklasse vertreten.[8]
Die Pablisten unterschieden sich nur dadurch von der LSSP, dass sie für eine inkonsequente, indirekte und bedingte Unterstützung bürgerlicher Regime eintraten, und weil sie die rechte Orientierung der LSSP im Wesentlichen akzeptierten, war ihr milder Tadel an Pereras offenem Aufruf zur Koalition heuchlerisch. Unter dem Deckmantel, den ihr das Internationale Sekretariat verschaffte, begann die LSSP eine rassistische Politik zu unterstützen, die den Plantagenarbeitern die uneingeschränkten Bürgerrechte verweigerte.
Auf dem Vereinigungskongress der Pablisten im Juni 1963 vertuschten die Revisionisten aufs Neue das Ausmaß der Degeneration der LSSP: »Unsere ceylonesische Sektion hat zunehmend die falsche Orientierung korrigiert, die sie 1960 mit der Unterstützung der liberalen bürgerlichen SLFP-Regierung eingenommen hatte. Seit die Massen in Aktion traten, hat sie sich ohne Zögern an deren Spitze und gegen ihre gestrigen Bündnispartner bei den Wahlen gestellt.«[9]
Die Pablisten schlugen der LSSP vor, durch ein Bündnis mit der Kommunistischen Partei und Philip Gunawardenas MEP eine »wirklich sozialistische Einheitsfrontregierung« zu bilden. Der eigentliche Zweck dieser »Vereinten Linksfront« bestand darin, die LSSP endgültig auf die Beteiligung an einer Volksfrontregierung vorzubereiten, denn die MEP war eine rassistische kleinbürgerliche Gruppierung. Einen Monat nach dem Vereinigungskongress erhielt die LSSP Anweisungen von der pablistischen Internationale, in denen das indisch-ceylonesische Abkommen gutgeheißen wurde, nach dem Hunderttausende Plantagenarbeiter nach Indien deportiert werden sollten. In einem Brief vom Juli 1963 erklärte das Vereinigte Sekretariat, »wir stellen fest, dass an Verhandlungen zwischen Indien und Ceylon über dieses Thema im Prinzip nichts auszusetzen ist«.[10]
Im Gegensatz zu den Vertuschungen und Täuschungen des Internationalen Sekretariats griff die Socialist Labour League öffentlich die verräterische Politik der LSSP an. In einem Brief an das SWP-Nationalkomitee vom 12. Juni 1963, der die Wiedervereinigung mit den Pablisten verurteilte, wies Healy mit bitteren Worten darauf hin, dass die SWP schweigend zusah, wie die LSSP einen historischen Verrat an der ceylonesischen Arbeiterklasse vorbereitete.
Vor Kurzem lasen wir in »The Militant«, dass zu einer Maiversammlung in Colombo 100 000 Leute kamen. »Die riesige Beteiligung«, schreibt »The Militant«, »wurde zurückgeführt auf die Begeisterung der Massen über die Aussicht auf eine Einheitsfront zwischen der Lanka Sama Samaja Party (Trotzkisten), der Kommunistischen Partei und der MEP (einer kleineren Gruppe unter Führung von Philip Gunawardena).«
Wieder das alte Lied. Gerade in dem Moment, wo Ihr mit der SLL spaltet und Peng wieder als Führer der chinesischen Sektion anerkennt, lenkt Ihr die Aufmerksamkeit eurer Mitglieder auf »die große LSSP in Ceylon«. Dabei wahrt Ihr natürlich ein diskretes Schweigen über die Vorgänge auf dieser Veranstaltung. Ihr habt Euren Mitgliedern nicht gesagt, dass bei der Vorbereitung der Veranstaltung durch die drei Parteien, also die LSSP, die KP und die MEP, Philip Gunawardena darauf bestand, dass auf dem Podium nur Vertreter politischer Parteien sitzen sollten. Seine Beweggründe hierfür waren einfach und völlig reaktionär. Er wollte die indische Arbeiterklasse, die durch ihre Gewerkschaften vertreten wird, ausschließen.
Zu ihrer ewigen Schande stimmte die LSSP dieser Farce zu. Man muss daran denken, dass die LSSP früher die einzige Partei in Ceylon war, die bedingungslos für die Gleichberechtigung der indisch-tamilischen Arbeiterklasse eintrat. Sie war immer ein scharfer Gegner Philip Gunawardenas von der MEP gewesen, der auf dieser Veranstaltung eine durch und durch reaktionäre Rolle spielte.
Ihr verschweigt, was Philip Gunawardena sagte. Er versprach sich, sagte »Rasse« statt »Nation« und verbesserte sich dann. Seine Anhänger unter den Zuhörern riefen: »Nein, nicht Nation: Rasse!« Und die LSSP saß die ganze Zeit schweigend auf dem Podium. Das ist der Preis für eine solche Einheit.
In der LSSP wird jetzt offen zugegeben, dass die Führer bereit sind, bei der Gleichberechtigung von Tamilen und Singhalesen wirkliche und große Abstriche zu machen. Das ist die Logik der Kapitulation, die sie zur Unterstützung von Frau Bandaranaike gebracht hat. Ihr hättet euren Mitgliedern sagen sollen, dass N. M. Perera, Anil Moonesinghe und andere LSSP-Führer aktive Buddhisten sind, die regelmäßig in Tempeln beten.[11]
In den kritischen Monaten vor dem Eintritt der LSSP in eine Koalitionsregierung unter Bandaranaike wehrte das pablistische Vereinigte Sekretariat jede Diskussion über den rechten Kurs ihrer ceylonesischen Verbündeten ab. Banda erwähnt Pablos taktische Differenzen mit Mandel über Ceylon – ein episodischer Streit, der für die Einschätzung des Pablismus als politische Tendenz völlig ohne Belang ist –, aber er verschweigt die Antwort des Vereinigten Sekretariats, in der die LSSP verteidigt wurde. Das Vereinigte Sekretariat erklärte, man müsse der LSSP Zeit einräumen, ihre »Aufrichtigkeit« und ihren »guten Willen« unter Beweis zu stellen. Eine Kritik an der LSSP, sagte das Vereinigte Sekretariat,
würde vor allem bedeuten, durch Einimpfen des heftigsten Fraktionalismus die Atmosphäre in der LSSP bewusst anzuheizen. Zweitens würde es die Sache noch verschlimmern, indem man die Auseinandersetzung an die Öffentlichkeit zerrt. Eine derart spalterische Politik würde die brüderlichen Beziehungen zwischen dem Vereinigten Sekretariat und der Führung der LSSP gefährden, wenn nicht zerstören. Das Endergebnis könnte die Vierte Internationale und die LSSP schwer schädigen, auch deren linken Flügel, der in keiner Weise die Einheit der Partei durch unangemessene innere Zerwürfnisse und Spannungen, woher sie auch stammen, in Frage stellen will.[12]
Diese Dokumente beweisen, dass Banda lügt wie gedruckt, wenn er behauptet: »Das IK griff erst ganz kurz vor der Spaltung ein. Healy versuchte, ungebeten in die Konferenz in Colombo einzudringen und auf Kosten von Pierre Frank und dem Vereinigten Sekretariat ein paar Punkte einzuheimsen.«
Diese Halbstarken-Sprüche sind es nicht wert, ernst genommen zu werden. Healy reiste nach Ceylon als Vertreter der einzigen Tendenz, die seit mehr als zehn Jahren gegen den Revisionismus gekämpft hatte, der schließlich zum Verrat der LSSP führte. Der Pablist Pierre Frank, ein Vertreter des Vereinigten Sekretariats, hatte sich an der Vorbereitung dieses Verrats beteiligt.
Nicht weniger zynisch und verlogen ist Bandas Behauptung, »für Sri Lanka hatte das IK keine Perspektive, außer N. M. Perera ex post facto zu verurteilen. Dem Gen. Tony Banda wurde es überlassen, die Reste zusammenzuklauben und den Versuch zu machen, eine Sektion zu bauen.« Sollen wir annehmen, Tony Banda sei auf eigene Faust als politischer Freiberufler nach Sri Lanka gereist, und nicht als Mitglied der SLL und des IKVI? Wenn das IK keine Perspektive hatte, wie erklärt Banda dann die Gründung der Revolutionary Communist League, die zur sri-lankischen Sektion des Internationalen Komitees wurde?
Das Internationale Komitee, das im Kampf gegen den Pablismus gegründet worden war, mehr als zehn Jahre bevor der Revisionismus zum Eintritt einer angeblich trotzkistischen Partei in eine bürgerliche Regierung führte, hatte eine sehr klare Perspektive für die Arbeit in Sri Lanka. Allein das IKVI erkannte die welthistorische Bedeutung des Verrats der LSSP für die Vierte Internationale. In einer Erklärung vom 5. Juli 1964 stellte das IKVI fest:
Der Eintritt von Mitgliedern der LSSP in die Bandaranaike-Koalition bezeichnet das Ende einer ganzen Entwicklungsepoche der Vierten Internationale. Der Revisionismus in der trotzkistischen Weltbewegung hat seinen Ausdruck im direkten Dienst am Imperialismus, in der Vorbereitung einer Niederlage der Arbeiterklasse gefunden. Der Wiederaufbau der Vierten Internationale muss auf die feste Grundlage des Aufbaus revolutionärer proletarischer Parteien in jedem Land gestellt werden, im Kampf gegen die bürokratischen und opportunistischen Diener des Imperialismus und ihre Apologeten, die Revisionisten, die den Namen des Trotzkismus und der Vierten Internationale usurpieren.[13]
Auch über ein weiteres bedeutendes Nebenprodukt des pablistischen Verrats in Ceylon schweigt Banda sich aus. Unterstützer des IKVI, die unter der Führung von Tim Wohlforth eine offizielle Minderheit in der SWP bildeten, wurden suspendiert, weil sie unnachgiebig eine innerparteiliche Diskussion über den historischen Verrat der LSSP forderten, mit der die SWP politisch verbündet war. Für das »Verbrechen« des Versuchs, unter den Mitgliedern der SWP eine Erklärung über den Eintritt der LSSP in eine Koalitionsregierung zu verbreiten – ein beispielloses Ereignis in der Geschichte der Vierten Internationale –, wurden Wohlforth und acht weitere Mitglieder der Minderheitstendenz suspendiert.
Diese Minderheitstendenz hatte seit 1961 an der Seite des Internationalen Komitees gegen die Degeneration der SWP gekämpft. Selbst nach der Spaltung mit dem Internationalen Komitee setzte sie diesen Kampf fort, um alles zu tun, damit die SWP wieder auf den Weg des Trotzkismus zurückkehre. Aber die Ereignisse in Ceylon erforderten außergewöhnliche Maßnahmen, um in der trotzkistischen Weltbewegung eine Diskussion über diese Krise zu fordern. In ihrer Erklärung vom 30. Juni 1964 stellte die Minderheit fest:
In der ganzen Periode von 1961 bis 1963 haben wir in politischer Übereinstimmung mit dem IKVI ständig darauf hingewiesen, dass eine Wiedervereinigung der Vierten Internationale ohne eine sehr ausführliche Diskussion vor der eigentlichen Wiedervereinigung nur zu einer Katastrophe und weiteren Desintegration der Internationale und der hiesigen Partei führen könne. Unsere Position ist auf der ganzen Linie bestätigt worden …
Es darf jetzt keine Weigerung mehr geben, sich mit der politischen, theoretischen und methodologischen Krise zu konfrontieren, die unsere Partei und den internationalen Verband, mit dem sie zurzeit in politischer Solidarität steht, zerreißt. Um das Überleben der Partei zu sichern, muss sofort in allen Ortsgruppen eine gründliche Diskussion über diese Fragen organisiert werden.
Wir wissen sehr wohl, dass eine solche Diskussion, wenn sie nicht mit der Vorbereitung einer Konferenz in Verbindung steht, ein außergewöhnlicher Schritt ist. Wir fordern gerade deshalb eine solche Diskussion, weil wir es mit einer Krise von sehr außergewöhnlichem Charakter zu tun haben. Leninisten sind in organisatorischen Fragen niemals Fetischisten. Sie sind bereit, organisatorische Formen den politischen Bedürfnissen der Bewegung anzupassen. In einer Periode, in der die Partei außen wichtige Arbeit leisten muss, eine sterile Diskussion fortzusetzen, wäre ein krimineller Akt gegen die bolschewistische Partei. Eine Diskussion nicht zu führen, wenn eine tiefe politische Krise die Partei und die internationale Bewegung zerreißt, ist mindestens ebenso kriminell. Wer dringende und notwendige Arbeit zum Parteiaufbau einem Vorgehen entgegenstellt, ohne das die Partei nicht überleben kann, ist in keinem Sinne des Worts Leninist.[14]
Zehn Tage später wurden alle neun Unterzeichner dieses Briefs von der SWP suspendiert. Sie bildeten dann das Amerikanische Komitee für die Vierte Internationale, das im November 1966 in die Workers League umgewandelt wurde. Auf diese Weise wurde durch den Kampf des IKVI gegen den pablistischen Revisionismus die historische Kontinuität der trotzkistischen Bewegung in den Vereinigten Staaten bewahrt.
Newsletter, 7. Dezember 1963.
Ebd.
Ebd.
National Education Department Socialist Workers Party, Education for Socialists: The Struggle to Reunify the Fourth International (1954–63), Bd. 3, Mai 1977, S. 31–32.
Ebd., S. 33.
Cliff Slaughter (Hrsg.), Trotskyism Versus Revisionism: A Documentary History, Bd. 4, The International Committee Against Liquidationism, London 1974, S. 58.
Nach einer Kopie des Originals.
Nach einer Kopie des Originals.
Siebter Weltkongress der Vierten Internationale, »The International Situation and Our Tasks«, in: Fourth International, Nr. 17, Oktober–Dezember 1963, S. 45.
Zitiert in: Slaughter (Hrsg.), Trotskyism Versus Revisionism, Bd. 4, S. 235.
Ebd., S. 162.
Ebd., S. 240.
Newsletter, 11. Juli 1964.
Nach einer Kopie des Originals.