David North
Das Erbe, das wir verteidigen

M. Banda wird zum Stalinisten (III)

Banda krönt seine Denunziation Trotzkis mit folgenden Worten:

Damit komme ich zu dem schlagendsten Gegenbeweis für Trotzkis Anspruch, dialektischer Materialist zu sein. Deutlich formuliert ist er in der vierten Zwischenüberschrift des Kapitels »Was ist die UdSSR?« [in »Verratene Revolution«], die lautet: »Die Geschichte hat die Frage des Charakters der UdSSR noch nicht entschieden.« Dies ist meiner Meinung nach eine grundlegende Revision des dialektischen Materialismus, insbesondere des Gesetzes der Umwandlung von Quantität in Qualität und der Entwicklung vom Niedrigeren zum Höheren. Implizit weist Trotzki hier die Auffassung zurück, dass die Oktoberrevolution kein Zufall, sondern ein gesetzmäßiges Moment war, ein historischer Sprung in einem unumkehrbaren historischen Prozess. Die Revolution konnte verzerrt und untergraben, aber nicht zerstört werden. Mit anderen Worten, es konnte keine Aussicht auf eine Wiedereinführung des Kapitalismus nach dem Bürgerkrieg, der Industrialisierung und Kollektivierung geben. Revolutionen sind das Urteil der Geschichte über veraltete sozio-ökonomische Gebilde und können nicht durch willkürliche staatliche Maßnahmen oder durch die Politik einer bestimmten Regierung rückgängig gemacht werden. Die Oktoberrevolution fand nur deshalb statt, weil die Widersprüche des Weltimperialismus eine solche Intensität erlangt hatten, dass die kapitalistische Kette an ihrem schwächsten Glied brach. Wie Lenin bemerkte, brach die Kette, nicht nur das Glied. Auf dieser einfachen und unbestreitbaren Tatsache beruht unser revolutionärer Optimismus.

Dieser Absatz illustriert, was Banda als »logische« – im Gegensatz zu Trotzkis angeblich unzulänglicher »historischer« – Methode der Analyse verkaufen will. Laut Banda war die Oktoberrevolution ihrem logischen Wesen nach eine Umwandlung von Quantität in Qualität, oder meinetwegen eine Bewegung vom »Niedrigeren« zum »Höheren«. Da seine »Logik« eine Bewegung vom »Höheren« zum »Niedrigeren« ausschließt, ist ein Sturz der Oktoberrevolution nicht möglich. Die verstaatlichten Eigentumsverhältnisse können nicht zerstört und der Kapitalismus nicht wieder eingeführt werden.

Diese Analyse beweist nichts weiter, als dass Banda weder vom historischen Materialismus noch von der dialektischen Logik auch nur den geringsten Begriff hat. Seine Bemerkungen sind deshalb so dumm, weil er nicht begreift, dass die UdSSR nicht als logische Kategorie im Reich des abstrakten Denkens existiert, sondern im wirklichen materiellen Rahmen der Weltwirtschaft und des verketteten Systems von Nationalstaaten, von denen einige nicht nur mit Atomwaffen ausgerüstet sind, sondern auch über eine größere Arbeitsproduktivität verfügen. Der Imperialismus hat sich, ungeachtet Bandas »Logik«, nicht damit abgefunden, dass ein großer Teil der Erde seiner direkten Ausbeutung entzogen wurde.

Für Trotzki und Lenin hing das Überleben des ersten Arbeiterstaats in letzter Instanz von der Ausweitung der sozialistischen Revolution in die fortgeschrittenen kapitalistischen Staaten Westeuropas und der USA ab. Die Idee, das Proletariat könne auf unbeschränkte Dauer an der Macht bleiben und eine sozialistische Gesellschaft aufbauen, ohne dass der Kapitalismus in den Bastionen des Weltimperialismus gestürzt würde, galt vor 1924 in der Bolschewistischen Partei als Utopie.

Bandas Behauptung, die Planwirtschaft könne in der UdSSR nicht gestürzt und der Kapitalismus nicht restauriert werden, weil dies gegen das Gesetz der Bewegung »vom Niedrigeren zum Höheren« und des Umschlagens von »Quantität in Qualität« verstoße, beweist anschaulich, welch ein Blödsinn herauskommt, wenn man die historische Entwicklung aus leeren logischen Formen ableiten will.

Wir gebrauchen hier das Wort »leer« nicht nur, weil ihnen jeder konkrete historische Inhalt genommen wurde, sondern auch, weil Banda diese logischen Begriffe verwendet, ohne ihre wirkliche Bedeutung als Denkformen wissenschaftlich zu verstehen, d. h. ohne sie als Momente des Abstraktionsprozesses zu verstehen, die die immer tiefere Erkenntnis der komplexen Eigenschaften der Natur durch den Menschen formulieren und deren reicher geistiger Inhalt mit der langen Geschichte des philosophischen und begrifflichen Denkens verbunden und aus ihr abgeleitet ist. Diese logischen Kategorien, die mit einem Gerüst für die theoretische Erkenntnis vergleichbar sind, kann man sich nur im Zusammenhang mit einer sehr genauen und eingehenden Untersuchung natürlicher und gesellschaftlicher Phänomene aneignen. Für Banda dagegen sind die logischen Begriffe dekorative Phrasen, die nur dazu dienen, seine Unwissenheit zu verdecken. Seine Methode ist, darauf müssen wir noch einmal hinweisen, eine ignorante Parodie auf die hegelsche Dialektik, ähnlich der, über die sich Engels vor über 100 Jahren in seinem Klassiker »Anti-Dühring« lustig machte.

In einem Absatz dieses Werks erklärte Engels, dass Marx die wirkliche historische Entwicklung von der Expropriation der unmittelbaren Produzenten bis zur Expropriation der Expropriateure nicht aus dem dialektischen Gesetz über die Negation der Negation ableitete:

Im Gegenteil: Nachdem er geschichtlich bewiesen hat, dass der Vorgang in der Tat teils sich ereignet hat, teils noch sich ereignen muss, bezeichnet er ihn zudem als einen Vorgang, der sich nach einem bestimmten dialektischen Gesetz vollzieht. Das ist alles. Es ist also wieder eine reine Unterschiebung des Herrn Dühring, wenn er behauptet, die Negation der Negation müsse hier die Hebammendienste leisten, durch welche die Zukunft aus dem Schoß der Vergangenheit entbunden wird, oder dass Marx verlange, man solle auf den Kredit der Negation der Negation hin sich von der Notwendigkeit der Boden- und Kapitalkommunität … überzeugen lassen.[1]

Nach Abzug jedes historischen Inhalts bringt der Hinweis auf die Bewegung vom Niedrigeren zum Höheren sehr wenig neue Erkenntnis. Davon ganz abgesehen fallen einem auf Anhieb zahlreiche materielle Prozesse ein, bei denen die Entwicklung vom Höheren zum Niedrigeren verlaufen ist – zum Beispiel das Schicksal der Workers Revolutionary Party und der politische Weg Michael Bandas! Auf der Grundlage dieses »Gesetzes« kann man sehr wohl im Rahmen der geistigen Grenzen einer vulgären Evolutionstheorie bleiben. Wenn es darüber hinaus ohne jede konkrete Analyse eines bestimmten gesellschaftlichen Prozesses der Geschichte aufgezwungen wird, dann hat das absolut nichts mit Dialektik zu tun. So kann man den wirklichen widersprüchlichen Charakter der Oktoberrevolution nicht begreifen.

Natürlich bedeutete die Oktoberrevolution die Geburt eines höheren Prinzips der gesellschaftlichen und politischen Entwicklung, aber bei der ererbten russischen Rückständigkeit entsprachen die ökonomischen Grundlagen dort einer viel niedrigeren Entwicklungsstufe als derjenigen, welche Europa und die USA bereits hinter sich gelassen hatten. Das von Trotzki mit der Theorie der permanenten Revolution vorausgesehene und theoretisch erklärte große historische Paradoxon der Russischen Revolution bestand darin, dass die proletarische Diktatur, also die historisch fortgeschrittenste Staatsform, zuerst in einem der rückständigsten Länder errichtet wurde. Die sehr elementaren Kategorien des Höheren und Niedrigeren stehen also nicht in starrem Gegensatz zueinander, sondern wie alle Gegensätze in untrennbarem Zusammenhang. Diese Verbindung der Gegensätze und ihre Wechselwirkung und Durchdringung wurde in der Logik erstmals von Hegel festgestellt, aber es erforderte die geistige Revolution durch Marx, bevor dieses dialektische Prinzip entmystifiziert und zum Instrument wissenschaftlicher theoretischer Untersuchungen und historisch-materialistischer Erkenntnis werden konnte.

In einem Vergleich der Wirtschaftsentwicklung der UdSSR nicht nur mit dem zaristischen Russland vor 1917, sondern mit der gesamten kapitalistischen Welt analysierte Trotzki einen historischen Widerspruch, den man nicht in feste Kategorien wie Niedrigeres und Höheres zwängen kann:

Die dynamischen Kennziffern der Sowjetindustrie sind ohne Beispiel. Doch weder heute noch morgen ist mit ihnen die Frage schon gelöst. Die Sowjetunion steigt von einem erschreckend niedrigen Niveau empor, während die kapitalistischen Länder von einem sehr hohen Niveau herabgleiten. Das Kräfteverhältnis ist gegenwärtig nicht durch die Wachstumsdynamik bestimmt, sondern durch die Konstellation der Gesamtstärken beider Lager, wie sie sich in der Anhäufung materieller Vorräte, in der Technik, der Kultur, und vor allem in der Produktivität der menschlichen Arbeit äußert. Sobald wir an die Sache vom statischen Gesichtspunkt herangehen, ändert sich die Lage sofort ungemein zuungunsten der UdSSR.

Die von Lenin formulierte Frage »wer wen?« ist die Frage des Kräfteverhältnisses zwischen der UdSSR und dem revolutionären Weltproletariat einerseits, den inneren feindlichen Kräften und dem Weltkapital andererseits. Die wirtschaftlichen Fortschritte der UdSSR erlauben ihr zu erstarken, sich weiterzuentwickeln, sich zu bewaffnen, wenn nötig auch nachzugeben und abzuwarten, mit einem Wort, sich zu halten. Aber ihrem Wesen nach steht die Frage »wer wen?« vor der UdSSR im Weltmaßstab, und zwar nicht so sehr als eine militärische, sondern als Wirtschaftsfrage. Die Militärintervention ist gefährlich. Die Intervention billiger Waren im Gefolge der kapitalistischen Armeen wäre weitaus gefährlicher. Der Sieg des Proletariats in einem der westlichen Länder würde selbstverständlich mit einem Schlage das Kräfteverhältnis gründlich ändern. Aber solange die UdSSR isoliert bleibt, schlimmer, solange das europäische Proletariat nur Niederlagen erleidet und zurückweicht, solange bemisst sich die Stärke des Sowjetregimes letzten Endes an der Arbeitsproduktivität, die sich bei der Warenwirtschaft in Gestehungskosten und Preisen ausdrückt. Die Differenz zwischen den Binnen- und den Weltmarktpreisen ist eine der wichtigsten Maßzahlen für das Kräfteverhältnis. Indes ist es der Sowjetstatistik verboten, diese Frage auch nur anzurühren. Der Grund dafür ist, dass der Kapitalismus trotz Stillstand und Fäulnis immer noch hinsichtlich Technik, Arbeitsorganisation und -kultur einen gewaltigen Vorsprung behält.[2]

Bandas Verwendung der Kategorien Quantität und Qualität fehlt ebenfalls jedes dialektische Verständnis. Er erzählt uns, das Gesetz vom Umschlagen Ersterer in Letztere garantiere den ewigen Fortbestand der verstaatlichten Eigentumsverhältnisse in der UdSSR. Aber diese Behauptung wird schon durch Bandas Formulierung selbst widerlegt, nämlich wenn er sagt: »Die Revolution konnte verzerrt und untergraben, aber nicht zerstört werden.«

Das Gesetz des Umschlagens von Quantität in Qualität sagt uns, dass es eine ganz spezifische, historisch bestimmte Grenze geben muss, jenseits derer die ständige Verzerrung und Untergrabung der Revolution durch die Bürokratie in die Zerstörung der Sowjetunion als Arbeiterstaat münden kann. Man kann geschichtlich belegen, dass die Politik der Bürokratie die UdSSR mehrmals hart an diese Grenze gebracht hat: erstmals 1928, als die opportunistische Anpassung der Stalinisten an die Kulaken zur unmittelbaren Gefahr einer inneren Konterrevolution führte, und dann 1941, als ihr wiederholter Verrat an der Weltrevolution der Nazi-Invasion die Tore öffnete, die beinahe zur militärischen Niederlage der UdSSR führte.

Banda aber kümmert sich nicht um die tragischen Folgen des faschistischen Siegs in Deutschland oder um die Niederlagen des europäischen Proletariats – alles Folgen der Politik der Sowjetbürokratie – und verkündet: »Stalingrad war die vernichtende Antwort der Geschichte auf Trotzkis skeptische Prognose über Stalins Regime.« Welch eine perverse Verdrehung! Um den Preis von 20 Millionen Toten konnte die sowjetische Arbeiterklasse mit den katastrophalen Folgen von Stalins Verrat und Unfähigkeit fertig werden. Nur ein erbärmlicher Kriecher kann der Bürokratie den Heroismus der Arbeiterklasse und die Macht der verstaatlichten Eigentumsverhältnisse anrechnen. Außerdem kann nur ein bewusster Betrüger oder Idiot zu behaupten wagen, die Niederlage von Hitlers Truppen – nachdem sie bereits 500 000 Quadratmeilen sowjetisches Gebiet erobert und 90 Prozent von Stalingrad unter Kontrolle hatten – beweise, dass die UdSSR auch künftig nicht durch die militärischen Aktionen des Weltimperialismus zerstört werden könne.

Trotzkisten haben es nicht nötig, von Banda über die historische Bedeutung von Revolutionen im Allgemeinen und der Oktoberrevolution im Besonderen belehrt zu werden. Banda macht sich leicht lächerlich, wenn er behauptet, Trotzki habe den gesetzmäßigen Charakter der sozialistischen Revolution in Russland nicht erkannt. Tatsache ist, dass er der erste Marxist war, der mehr als 10 Jahre vor 1917 erkannt hatte, dass die Aufgaben der demokratischen Revolution in diesem Land nur vom Proletariat durchgeführt werden konnten und die russische Revolution von daher nur als sozialistische Revolution siegen werde.

Aber Banda versucht, den Begriff der historischen Unvermeidbarkeit in eine Art Garantieschein auf Lebenszeit zu verwandeln, indem er behauptet, Revolutionen könnten als objektives Ergebnis der Geschichte »durch willkürliche staatliche Maßnahmen oder durch die Politik einer bestimmten Regierung nicht rückgängig gemacht werden«. Dies, eröffnet uns Banda, sei die Grundlage seines »revolutionären Optimismus«.

Man muss sich nur die praktischen Schlussfolgerungen aus Bandas Perspektive vor Augen führen, die von der typisch kleinbürgerlichen Mischung aus Fatalismus und Selbstgefälligkeit durchdrungen ist. Mit dem unwiderruflichen »Urteil« der Geschichte als bequemem Ruhekissen hätten Arbeiter, die unter Bandas Einfluss stünden, keinerlei Veranlassung, sich überhaupt mit Politik zu befassen, weder mit der der Imperialisten, noch mit der, die die Führung der internationalen Arbeiterbewegung betreibt.

In einer entlarvenden Passage verteidigt Banda seinen Fatalismus, indem er die Russische mit der Französischen Revolution vergleicht und dann behauptet, Trotzkis Aussage, dass »die politische Expropriation der Arbeiterklasse durch die stalinistische Bürokratie den ersten Schritt zur kapitalistischen Restauration bedeutet«, sei »etwa so wahr und objektiv wie das Vorurteil, Napoleons Machtübernahme und die Auflösung der Pariser Kommune sei der erste Schritt zur Restauration des Feudalismus in Frankreich gewesen!«

Bandas Analogie ist wertlos, denn sie ignoriert den grundlegenden Unterschied zwischen der bürgerlichen und der sozialistischen Revolution. Die Eigentumsverhältnisse des Kapitalismus entstehen spontan, die des Sozialismus müssen bewusst eingeführt und aufgebaut werden.

In der Französischen und allen anderen klassischen bürgerlichen Revolutionen ging dem Sturz der Feudalaristokratie die spontane Entstehung kapitalistischer Eigentumsverhältnisse voraus. Als direktes Ergebnis des Wachstums der Produktivkräfte und des Welthandels hatten die kapitalistischen Verhältnisse in Frankreich spontan Einzug gehalten und sich bis 1789 alles in allem beträchtlich weit entwickelt. Die Bourgeoisie spielte im wirtschaftlichen Leben Frankreichs bereits vor der Revolution die Führungsrolle. Die französische Aristokratie und ihre politischen Herrschaftsformen waren zu einem Hindernis für die Weiterentwicklung des Landes in kapitalistischen Bahnen geworden.

Obwohl die führenden Schichten der Bourgeoisie über weite Strecken der Revolution im Allgemeinen eine konservative Rolle spielten, konnte die Diktatur der Jakobiner, d. h. der politischen Vertreter des radikalen Kleinbürgertums, nichts weiter erreichen, als die grundlegenden Aufgaben der demokratischen Revolution zu erfüllen und der Herrschaft der Bourgeoisie Platz zu machen.

Sobald die Französische Revolution die feudalen Verhältnisse auf dem Lande zerschlagen und den Bauern Land gegeben hatte, waren die ökonomischen Grundlagen des Ancien Régime unwiderruflich zerstört. Kein Marxist hat je behauptet, Napoleon Bonapartes Aufstieg zur Macht sei das erste Stadium einer Rückkehr zum Feudalismus gewesen. Ganz im Gegenteil: Marxisten haben Bonaparte stets als bürgerlichen Diktator definiert, der die wesentlichen Errungenschaften der Französischen Revolution festigte. Im Volk gründete sich diese Herrschaft auf die Bauernschaft, der die Revolution Land gegeben hatte. Der Begriff des Bonapartismus wird ja politisch gerade in dem Sinne gebraucht, dass die spezifische Rolle von Napoleon I. bei der Festigung der bürgerlichen Herrschaft anerkannt wird.

Generationen von Marxisten haben schon den grundlegenden Unterschied zwischen der historischen Entwicklung des Proletariats und derjenigen der Bourgeoisie erklärt. Das Proletariat bleibt eine ausgebeutete Klasse, bis es durch die bewusste historische Tat der sozialistischen Revolution die Bourgeoisie stürzt, seine politische Diktatur errichtet und völlig neue Eigentumsformen schafft. Weder verstaatlichte Industrie noch zentrale Planung stellen sich spontan ein. Beide erfordern ein hohes Maß an politischem Bewusstsein unter den Arbeitermassen, die an der Organisierung und Leitung der neuen Gesellschaft direkt beteiligt sein müssen.

Darüber hinaus bedeutet die Existenz verstaatlichter Industrie und Planung noch nicht das Ende der spontanen Entstehung von kapitalistischen Verhältnissen und Warenproduktion, besonders nicht in einem rückständigen Land mit einer großen Bauernschaft. Der Sieg des Sozialismus steht nicht fest, bevor der Sieg des Proletariats nicht in wenigstens einigen der wichtigsten imperialistischen Länder auf Weltebene die deutliche Überlegenheit der Planwirtschaft über das kapitalistische Chaos bewiesen hat. Umgekehrt, solange die Wirtschaftsplanung auf historisch zurückgebliebene Länder beschränkt bleibt, die den kapitalistischen Volkswirtschaften in der Arbeitsproduktivität und -technik weit hinterherhinken, kann man die Gefahr einer kapitalistischen Restauration nicht ableugnen.

Der qualitative Unterschied zwischen der bürgerlichen und der sozialistischen Revolution tritt besonders deutlich zutage, wenn man die Rolle der Führung betrachtet. Marxistische Historiker erkennen die herausragende Rolle solcher Revolutionäre wie Cromwell oder Robespierre an. Aber man könnte niemals ernsthaft behaupten, die Englische oder die Französische Revolution hätten einen grundlegend anderen Verlauf genommen, wenn Cromwell, wie er ursprünglich geplant hatte, nach Nordamerika emigriert oder Robespierre Provinzanwalt in Arras geblieben wäre.

Wie Plechanow erklärte, hätte die aufsteigende bürgerliche Klasse andere, vielleicht weniger hervorragende Vertreter für die Durchsetzung ihrer historischen Interessen und den Todesstoß gegen die Feudalordnung gefunden. Umgekehrt, selbst wenn Robespierre klüger und vorausschauender gewesen wäre, hätte er angesichts der historischen Umstände im Juli 1794 den endgültigen Sturz seiner Fraktion in der Partei der Jakobiner und den Triumph der Thermidorianer nicht verhindern können. Sein Sturz war sozusagen vorherbestimmt durch den Widerspruch zwischen seiner kleinbürgerlichen Anhängerschaft, der eine unabhängige Klassenperspektive fehlte, und dem bürgerlichen Charakter der Revolution.

Dagegen steht außer Frage, dass die Bolschewiki im Oktober 1917 nicht die Macht erobert hätten, wenn es Lenin nicht gelungen wäre, im April nach Russland zurückzukehren und das Parteiprogramm gegen den heftigen Widerstand Stalins und anderer von der Perspektive der demokratischen Diktatur zu derjenigen der permanenten Revolution zu ändern. Der Kapitalismus in Russland mag noch so sehr »zum Untergang verurteilt« gewesen sein, sein Sturz hing letzten Endes von Lenin ab, der das entscheidende subjektive Glied in der objektiven Kette der Ereignisse bildete.

Die historische Rolle der Bolschewistischen Partei im Allgemeinen und Lenins im Besonderen ist der schlagendste Gegenbeweis für Bandas passiven Fatalismus. Bei Vorbereitung, Sieg und Konsolidierung der sozialistischen Revolution spielt der bewusste Faktor eine größere Rolle als in jeder anderen Epoche und bei jedem anderen Ereignis in der Geschichte.

Gerade aus diesem Grund betonte Trotzki im ersten Abschnitt des »Übergangsprogramms«, dass die historische Krise der Menschheit ihren Schwerpunkt in der Krise der revolutionären Führung der Arbeiterklasse hat. Die Tatsache, dass der Kapitalismus im absoluten historischen Sinne reaktionär geworden ist und die objektiven Voraussetzungen für den Sozialismus voll ausgereift sind, lässt der Menschheit nur zwei Wege offen: Entweder wird die Arbeiterklasse durch die Herausbildung der notwendigen Führung den Imperialismus stürzen und weltweit den Sozialismus einführen, oder die Menschheit wird in die Barbarei zurückfallen.

Im Gegensatz zu Bandas antidialektischen Sophistereien führt die Geschichte nicht auf einer sechsspurigen Autobahn direkt ins Paradies. Wenn die Arbeiterklasse die ihr von der Geschichte gestellten Aufgaben nicht löst, droht der Menschheit ein weit katastrophalerer Rückschlag als nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches. Denn das neue finstere Zeitalter würde von einer nuklearen Massenvernichtung eingeleitet, die auf unserem Planeten nichts übrig ließe, womit man die Zivilisation wieder aufbauen, geschweige denn auf neue Höhen bringen könnte.

Bandas nationalistische Perspektive akzeptiert die stalinistische Position, dass das Schicksal der UdSSR nicht von der Weltrevolution abhänge: »Wir müssen daher kategorisch und nachdrücklich feststellen, dass die Geschichte den Charakter der UdSSR entschieden hat, und dass die UdSSR eine Gesellschaft ist, die sich im Übergang zum Sozialismus befindet.«

Aus dieser Sicht wird die Sowjetunion vom »entwickelten Sozialismus« zum Kommunismus vorwärts schreiten, ganz egal, wie die Klassenkämpfe in den USA, Europa und Japan ausgehen. Die Tatsache, dass die UdSSR in vielen entscheidenden Bereichen weit hinter den kapitalistischen Ländern zurückbleibt, ist ohne Belang.

Weil Banda die Bürokratie von einer gänzlich nationalistischen Warte aus beurteilt, spielt er die internationalen Implikationen von Stalins Politik herunter. So führt er Hitlers Sieg einfach auf »Dummheiten« zurück und definiert den bewussten Verrat der Kremlbürokratie in Frankreich und Spanien als »Pfusch«. Ungehalten empört er sich über Trotzkis Definition der Stalinisten als Agenten des Weltimperialismus: »Warum sollte die Bürokratie zum ›Organ der Weltbourgeoisie‹ werden?« schreibt er. »Wo waren die Beweise?«

Die Beweise sind eben jene welthistorischen Verrätereien, die Banda mit einem Achselzucken als »Dummheiten« und »Pfusch« abtut. Die Weigerung der Kommunistischen Internationale, auch nur die geringste Kritik, geschweige denn eine Verurteilung der Politik zu leisten, die zur größten Katastrophe in der Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung – Hitlers Sieg – geführt hatte, zeigte an, dass die stalinistischen Parteien nicht mehr reformiert werden konnten. Die Entwicklung der Komintern nach der Niederlage der deutschen Arbeiterklasse bestätigte Trotzkis Einschätzung. Das Programm des Sozialismus in einem Land hatte sich dazu gewandelt, dass die sowjetische Bürokratie die Interessen der internationalen Arbeiterklasse bewusst der Verteidigung ihrer eigenen Privilegien unterordnete. Die Volksfrontpolitik – offene Klassenkollaboration der nationalen kommunistischen Parteien – war ein Ausdruck der Verwandlung der Bürokratie in einen Verteidiger des kapitalistischen Systems auf Weltebene.

Stalins Politik in Spanien als »Dummheiten« zu bezeichnen, ist von Seiten Bandas bestimmt keine Dummheit. Er weiß sehr genau, welche Methoden Stalins Agenten anwandten, um den Kampf des spanischen Proletariats gegen Franco zu erdrosseln. Tausende von GPU-Agenten wurden nach Spanien ausgesandt, um die revolutionären Gegner von Stalins Bündnis mit den reaktionären bürgerlichen Demokraten und mit den rechten Sozialisten zu liquidieren. Er weiß, dass Stalins Verteidigung des spanischen bürgerlichen Staats und Privateigentums vom Wunsch der sowjetischen Bürokratie nach einem Bündnis mit dem britischen und französischen Imperialismus motiviert war. Er weiß auch, dass ein Grund für den Massenmord an alten Bolschewiken zwischen 1936 und 1939 Stalins Bestreben war, die demokratischen Imperialisten davon zu überzeugen, dass die sowjetische Bürokratie unwiderruflich mit der Politik der internationalen sozialistischen Revolution gebrochen hatte.

In den letzten 50 Jahren gab es mehr als genug Belege für die Tatsache, dass die sowjetische Bürokratie auf Weltebene als Agentur des Imperialismus tätig ist, indem sie den internationalen Status quo unter dem Motto der »friedlichen Koexistenz« und der »Entspannung« verteidigt. Wollte man alle Beweise für ihre Rolle als Agentur des Weltimperialismus zusammenstellen, dann bräuchte man ein vielbändiges Lexikon der Geschichte der Außenpolitik des Kremls seit dem Zweiten Weltkrieg, mit zusätzlichen Ergänzungsbänden für die Politik jeder nationalen Kommunistischen Partei.

Banda krönt seine erbärmliche Kapitulation vor dem Stalinismus mit einer verblüffenden Vertrauenserklärung in die politische Integrität der sowjetischen Bürokratie:

Gäbe es keine Restauration, dann müsste Trotzki sie erfinden! Die gesamte sowjetische Geschichte – während und nach Stalin – legt Zeugnis ab gegen diese kindische linke Spekulation und weist in die entgegengesetzte Richtung. Trotz enormer Schwierigkeiten, Rückschläge, Widersprüche, Verbrechen und Exzesse kämpften die sowjetische Arbeiterklasse und die neue, post-revolutionäre Arbeiteraristokratie, die das Land regierte und die Planwirtschaft verwaltete, gegen jede Restaurierung des Kapitalismus und für die Entwicklung und Ausweitung des verstaatlichten Eigentums. Jeder, der die Berichte über den 27. Parteitag und die Erklärungen des Zentralkomitees der KPdSU über die Probleme der sowjetischen Industrie und Landwirtschaft gelesen hat, wird Trotzkis düstere Fantasien auf der Stelle verlachen und zurückweisen. Es gab und gibt keine Aussicht darauf, dass sich die sowjetische Arbeiter­aristokratie in eine neue herrschende Klasse verwandelt, noch besteht die leiseste Möglichkeit, dass neue Gesetze über die Vererbung von Besitz in Kraft treten. In Wirklichkeit sind wir Zeugen einer allmählichen Liberalisierung der bürokratischen Herrschaft und einer Dezentralisierung der Wirtschaftsverwaltung, die einhergeht mit den gewaltigen und beispiellosen Veränderungen in der sowjetischen Industrie, der Wissenschaft, der Technologie – und der Arbeiterklasse. (Betonung hinzugefügt)

Banda nennt die »Verbrechen und Exzesse«, die er so nebenbei erwähnt, nicht beim Namen. Schlimmer noch, er bietet nicht den Schatten einer genauen sozialen Analyse der Ursprünge und Entwicklung der »neuen post-revolutionären Arbeiteraristokratie«. Er versucht nicht einmal, die materiellen Grundlagen dieser »Aristokratie« und die Quelle und den Charakter ihrer Privilegien nachzuweisen. Hatten die »Verbrechen und Exzesse« nichts mit der Anhäufung ihrer unrechtmäßig erworbenen Vorrechte zu tun? Banda schweigt auch zur Frage des genauen Verhältnisses zwischen der Arbeiterklasse und der Arbeiteraristokratie.

Wie gewöhnlich, bringt sich Banda auch hier durch seine nachlässige Verwendung der Terminologie in alle möglichen Schwierigkeiten. Er erzählt uns, die »Arbeiteraristokratie« habe »schonungslos gegen jede Restauration des Kapitalismus« gekämpft. Aber es gehört zum ABC des Marxismus, dass jede Arbeiteraristokratie nur dann schonungslos kämpft, wenn es um die Verteidigung ihrer Privilegien geht. Wie Trotzki oft erklärte, »verteidigt« die sowjetische Bürokratie die Planwirtschaft nur in der Weise, wie die Arbeiteraristokratien in den imperialistischen Zentren die Gewerkschaften verteidigen: nur insoweit, wie ihre materiellen Privilegien von deren Fortbestand abhängt.

Angesichts von Bandas Glauben an die aufopfernde Hingabe der sowjetischen Aristokratie an den Kommunismus sollte es nicht überraschen, dass er felsenfest davon überzeugt ist, diese aufrechten Bürokraten würden niemals auch nur im Traum an so etwas Selbstsüchtiges wie die Legalisierung von Besitzvererbung denken.

Als Antwort auf Banda wollen wir aus einer Rede eines echten Experten in Sachen Moral und Einstellung der stalinistischen Bürokratie zitieren – Generalsekretär Michail Gorbatschow! Vor der lange hinausgezögerten Sitzung des Zentralkomitees der KPdSU im Januar 1987 trug er seine Darstellung von den Vorgängen in den höheren Etagen der Bürokratie vor:

Ernsthafte Deformierung häufte sich in der Planung. Die Autorität des Plans als Hauptinstrument der Wirtschaftspolitik wurde untergraben durch subjektivistisches Herangehen, Unausgewogenheit, Instabilität … Man darf auch nicht die gerechtfertigte Empörung der Werktätigen über das Verhalten von leitenden Kadern verschweigen, die Vertrauen und Vollmachten besaßen und doch die Interessen des Staats und der Bürger vertreten sollten und stattdessen die Macht missbrauchten, Kritik unterdrückten und sich bereicherten. Einige wurden selbst Komplizen und sogar Organisatoren verbrecherischer Handlungen …

Es vergrößerte sich die Schicht von Menschen, darunter auch Jugendliche, für die materieller Wohlstand und Bereicherung um jeden Preis das Lebensziel wurde. Ihre zynische Haltung nahm immer aggressivere Formen an, vergiftete das Bewusstsein der Menschen in ihrer Umgebung und schuf eine Welle des Konsumdenkens. Kennzeichnend für die sinkende soziale Moral waren Zunahme der Trunksucht, Verbreitung des Drogenmissbrauchs und Zunahme der Kriminalität.

Einen verhängnisvollen Einfluss auf die moralische Atmosphäre in der Gesellschaft hatten Erscheinungen der Nichtachtung der Gesetze, von Augenwischerei und Korruption sowie die Förderung von Katzbuckelei und Lobhudelei …

Die wahre Sorge um die Menschen, ihre Arbeits- und Lebensbedingungen und ihr soziales Befinden wurde nicht selten durch politisches Kokettieren ersetzt – durch die massenhafte Vergabe von Auszeichnungen, Titeln und Prämien. (Hervorhebung hinzugefügt)

Gorbatschows Rede ist eine vernichtende Beschreibung des gesellschaftlichen Abschaums, der die obersten Stufen der Bürokratie bevölkert. Die einzig mögliche Schlussfolgerung aus dieser Schilderung – die, da kann man sicher sein, gerade einmal die Oberfläche der wirklichen Zustände streift – ist, dass die herrschenden Schichten größtenteils aus Elementen bestehen, deren gesellschaftliche Ansichten von kapitalistischen Wertvorstellungen durchdrungen sind und die eine organische Feindseligkeit gegen die politischen und wirtschaftlichen Institutionen hegen, die auf die Oktoberrevolution zurückgehen und ihre Möglichkeiten zur Anhäufung und Bewahrung privaten Reichtums einschränken. Zu glauben, diese Elemente seien subjektiv auch nur im Geringsten der Planwirtschaft zugetan, heißt sich den lächerlichsten Illusionen hinzugeben. Wenn man es wissenschaftlich ermitteln könnte, dann würde man bei den Oberschichten der sowjetischen Bürokratie nicht weniger Gier nach persönlichem Luxus und Reichtum feststellen als bei den im »Fortune 500« aufgeführten Kapitalisten.

Es ist bezeichnend, dass Gorbatschow insbesondere von »Jugendlichen« spricht, also den Söhnen und Töchtern der Bürokratie, die die Privilegien ihrer Eltern eindeutig als ihr Geburtsrecht betrachten. Dass man ihnen verbietet, den gesamten Besitz ihrer Eltern zu erben, ist eine wichtige Quelle ihres Hasses auf alles, was von der Diktatur des Proletariats noch übrig ist.

Von seinem erhöhten Sitz auf dem Gipfel der bürokratischen Ordnung blickt Gorbatschow herab und sieht ein Spektakel im Stil der Gemälde von Hieronymus Bosch, voll von hedonistischer Korruption, und er erkennt die Empörung und den Hass, den diese verkommene Szenerie im Proletariat hervorruft: »Man darf auch nicht die gerechtfertigte Empörung der Werktätigen über das Verhalten von leitenden Kadern verschweigen«, warnt er. Einzig und allein die Angst vor der Arbeiterklasse hält die Bürokratie davor zurück, die Vererbung von Besitz zu legalisieren und die 1917 geschaffenen Eigentumsverhältnisse zu durchbrechen.

Diese Angst spielt immer noch eine große, aber nicht die entscheidende politische Rolle. Die subjektive Habgier der Bürokratie ist nicht die einzige gesellschaftliche Grundlage restaurativer Bestrebungen. Wir haben an früherer Stelle auf die Beziehung zwischen der chronischen Rückständigkeit des Agrarsektors und der spontanen Differenzierung der Bauernschaft selbst innerhalb der kollektivierten Höfe hingewiesen. Es gibt noch weitere Formen, in denen sich kapitalistische Tendenzen in der UdSSR zeigen.

Statistiken, die vor Kurzem in der UdSSR veröffentlicht wurden, sagen aus, dass nicht weniger als 17 Millionen Menschen direkt in irgendwelchen privaten Unternehmungen auf dem halboffiziellen schwarzen Markt tätig sind. Welche wirtschaftliche Kraft in diesem Schwarzmarkt steckt, kann man daran ablesen, dass das Gorbatschow-Regime kürzlich seine Legalisierung beschloss. Gleichzeitig sagte der Kreml, er werde nicht erlauben, dass die solchermaßen gesetzlich abgesicherten Unternehmen Lohnarbeiter anwerben.

Aber allein die Tatsache, dass diese Frage aufgegriffen wird, ist ein starkes Indiz dafür, dass der Kauf von Arbeitskraft durch Privatunternehmer in der UdSSR keine unbekannte soziale Erscheinung mehr ist. Das allerorts niedrige Einkommen garantiert, dass es Leute gibt, die bereit sind, »unter der Hand« Löhne von solchen Arbeitgebern anzunehmen. Vor Kurzem wurde Fabrikmanagern außerdem das Recht verliehen, Arbeiter im Namen der Effizienz und der Arbeitsdisziplin zu feuern. Das heißt, es wird Arbeitslose geben, die gezwungen sein werden, ihre Arbeitskraft auf dem Schwarzmarkt feilzubieten.

Diese Beschlüsse sind Bestandteil weitreichender wirtschaftspolitischer Veränderungen, die das Wachstum kapitalistischer Tendenzen in der UdSSR stark anzuheizen drohen. Ein neuer Gesetzentwurf, der im Januar 1987 vom Zentralkomitee gebilligt wurde, sieht laut TASS vor, dass Arbeitskollektive »uneingeschränkte Herren über ihre Unternehmen« werden und »unabhängig über praktisch alle Fragen der Produktion und sozialen Entwicklung eines Werks oder einer Fabrik entscheiden«.

Die Manager dieser unabhängigen Kollektive sollen das Recht bekommen, direkte Verbindungen zu Unternehmen aus kapitalistischen Ländern anzuknüpfen, ohne den bisher üblichen Beschränkungen unterworfen zu sein, die mit der Existenz des staatlichen Außenhandelsmonopols verbunden waren. Das Zentralkomitee hat außerdem beschlossen, dass Privatpersonen das Recht bekommen sollen, eine Fabrik oder ein Unternehmen zu eröffnen und zu leiten.

Es liegt auf der Hand, dass diese Form der Dezentralisierung unter den traditionellen Umständen des »verallgemeinerten Mangels« und der Ungleichheit der Bürokratie neue, nie dagewesene Bereicherungsmöglichkeiten eröffnen wird. Schon das Gewicht, das auf die Belohnung lokaler »Initiativen« und die Unterscheidung zwischen produktiven und unproduktiven Betrieben gelegt wird, führt tendenziell zur Sanktionierung der privaten Anhäufung von Reichtum, neben der sich die unter Breschnew übliche Korruption primitiv ausnehmen wird.

Vor allem das gesetzlich verankerte Recht auf direkte Handelsbeziehungen zwischen einzelnen Fabriken in der UdSSR und kapitalistischen Unternehmen wird einer kapitalistischen Durchdringung der sowjetischen Wirtschaft Tür und Tor öffnen. Unter dem Banner der »Dezentralisierung« wird es ein immer offeneres Bündnis von europäischem, nordamerikanischem und japanischem Kapital mit einer wachsenden Schicht von Manager-Unternehmern in Industrie und Landwirtschaft geben.

Diese Schritte entlarven den tief reaktionären Hintergrund der kosmetischen Reformen des Gorbatschow-Regimes. In seinem Versuch, der unabhängigen Bewegung der Arbeiterklasse gegen die Bürokratie zuvorzukommen, untergräbt Gorbatschow in Wirklichkeit systematisch die grundlegenden Errungenschaften der Oktoberrevolution.

Banda ignoriert all diese Tendenzen, obwohl er sehr genau weiß, dass sie sämtliche Postulate zu Fall bringen, auf die er seine Zurückweisung des Trotzkismus stützt. Er gibt sogar zu, »wäre Trotzkis Prognose richtig gewesen, dann wäre sein Aufruf, eine kapitalistische Restauration durch die politische Revolution unter der Führung einer neuen Partei – der Vierten Internationale – zu verhindern, völlig richtig gewesen«.

Wieder einmal kann Banda nichts widerlegen. Er behauptet einfach: »Aber diese Tendenz besteht in der UdSSR, China, Jugoslawien und Indochina mit Sicherheit nicht. Und gerade aus diesem Grund hat sich die lang erwartete politische Revolution in der UdSSR nicht eingestellt und wird niemals kommen.«

Diese Worte sind eine passende Inschrift für Bandas Grabstein. Sie fassen die politische Demoralisierung zusammen, die seiner Verwerfung revolutionärer Politik zugrunde liegt. Er ist inzwischen voll und ganz von der Unsterblichkeit des Stalinismus überzeugt, oder, anders ausgedrückt, er hat die Arbeiterklasse als revolutionäre Kraft völlig abgeschrieben.

Eine ausführliche Antwort auf Bandas dumme Bemerkungen zugunsten der chinesischen und jugoslawischen Stalinisten kann man sich sparen. Seit zehn Jahren nutzt die chinesische Bürokratie die Reaktion der Bevölkerung auf die katastrophalen Folgen der Kulturrevolution aus, um riesige Zugeständnisse an kapitalistische Elemente im Inland und an den internationalen Imperialismus zu rechtfertigen. (Nebenbei wollen wir festhalten, dass diese rechte Politik 1971 von Mao selbst initiiert wurde.)

Die Tatsache, dass die chinesische Bürokratie ein Abkommen unterzeichnet hat, in dem sie die Aufrechterhaltung des kapitalistischen Eigentums und der kapitalistischen Investitionen in Hongkong verspricht, beweist, dass sie sich ihr eigenes Überleben keineswegs nur vor dem Hintergrund einer verstaatlichten Industrie und staatlicher Planung vorstellen kann. Sie ist bereit, im Interesse des Weltimperialismus die Ausbeutung der Arbeiterklasse zur Erzielung von Mehrwert zu überwachen.

Die weitreichenden Implikationen eines solchen Abkommens sind nicht von der Hand zu weisen. Es steht eindeutig am Beginn von neuen und direkteren Beziehungen zwischen der stalinistischen Bürokratie und dem Weltimperialismus. Man muss sich nur überlegen, was passiert, wenn in dem stalinistisch verwalteten Hongkong Arbeiter gegen ein kapitalistisches Unternehmen streiken. Die Bürokratie würde eingreifen und die imperialistischen Interessen direkt gegen die Arbeiter verteidigen. Die Behauptung, das chinesisch-britische Abkommen beinhalte keine Tendenz zu kapitalistischer Restauration, ist also eine durchsichtige Lüge.

Was Jugoslawien angeht, so ist seine tiefe Abhängigkeit von den Krediten des IWF und der imperialistischen Banken bestens bekannt. Seit 1950, als Tito sich im Korea-Krieg auf die Seite des Imperialismus stellte, steht Jugoslawien offen mit einem Bein im Lager des Kapitalismus. Bandas Behauptung, in Jugoslawien gebe es keine Tendenz zur privaten Anhäufung von Reichtum, kann bestenfalls bedeuten, dass er über das Leben auf dem Balkan schlecht informiert ist. Vor dem Hintergrund ökonomischer Rückständigkeit und Armut trifft man dort auf Individuen mit beträchtlichem Privatvermögen.

Bandas Anrufung Indochinas als weiteren Beweis gegen den Trotzkismus schließlich bringt ihn auch nicht sehr weit. Es ist eine offensichtliche Tatsache, dass Vietnam organisch unfähig ist, im Rahmen einer national isolierten und rückständigen Wirtschaft eine sozialistische Gesellschaft aufzubauen. Vieles deutet darauf hin, dass es nicht einmal die nördlichen und südlichen Landesteile harmonisch zusammenfügen konnte. Aber es gibt noch eine weitere Frage, die Banda gar nicht erst stellt, obwohl sie im Zentrum der sozialistischen Entwicklung Indochinas steht.

Rund 12 Jahre nach der Niederlage des amerikanischen Imperialismus gibt es immer noch nicht das geringste Anzeichen für die Entstehung eines sozialistischen Staatenbündnisses von Indochina, ganz zu schweigen von einem Staatenbündnis unter Einschluss von China selbst. Die vietnamesische Intervention in Kampuchea hat zu keinerlei wirtschaftlicher Integration der beiden Länder geführt. Und China, weit entfernt vom Aufbau einer neuen sozialistischen Union nach der Niederlage der USA, versuchte in Vietnam einzumarschieren und arbeitet bis auf den heutigen Tag mit dem Imperialismus gegen Vietnam zusammen.

Banda erwähnt diese Sachlage nicht, denn dann wäre eine objektive Analyse der Klassenkräfte fällig, die dieser reaktionären Politik zugrunde liegen, womit seine Behauptung, die stalinistischen Bürokratien widmeten sich dem Aufbau des Sozialismus, in sich zusammenfiele.

Er erzählt uns stattdessen, die politische Revolution gegen den Stalinismus habe niemals stattgefunden und werde niemals stattfinden, und »diese unwiderlegbare geschichtliche Tatsache … erklärt, weshalb die Vierte Internationale ausgerufen, aber niemals aufgebaut wurde. Es gab ganz einfach nichts, worauf man hätte aufbauen können«.

Bandas Unfähigkeit, die Zukunft vorauszusehen, wird nur von seiner Fähigkeit übertroffen, über die Vergangenheit zu lügen. Trotzkis Konzept einer proletarischen Revolution, die sich gegen das politische Machtmonopol der Bürokratie richtet und gleichzeitig die durch den Sturz der Bourgeoisie geschaffenen vergesellschafteten Eigentumsverhältnisse aufrechterhält, nahm die kommenden Entwicklungen richtig vorweg. Seit 1953, als sich die ostdeutsche Arbeiterklasse gegen das stalinistische Regime erhob, ist die ­politische Revolution keine bloße historische Prognose mehr. Genau wie die Pariser Kommune von 1871 Marx’ theoretische Vorhersagen bestätigte, wurden diejenigen Trotzkis von der ungarischen Revolution von 1956 bestätigt. Und seitdem gab es die Erfahrungen in der Tschechoslowakei 1968, in Polen 1970 und schließlich die polnische Solidarność-Bewegung von 1980/1981.

Nicht Trotzki wurde widerlegt, sondern Banda hat die politische Revolution verworfen und ist zum Apologeten und politischen Agenten der Kremlbürokratie geworden. Vor fast 30 Jahren verurteilte Banda leidenschaftlich die Massaker der sowjetischen Bürokratie an den ungarischen Arbeitern in Budapest und die Hinrichtung von Pal Maleter und Imre Nagy 1958. Heute wiederholt er die Hetze des Kremls und tut so, als sei Opposition gegen das Kádár-Regime ein Versuch, »dem ungarischen Volk bürgerliche Demokratie anzudrehen«. Damit nicht genug. Außerdem setzt er die Verteidigung von Solidarność und Opposition gegen die Jaruzelski-Diktatur gleich mit Unterstützung für eine »westlich ausgerichtete ›pluralistische Demokratie‹, die vom Vatikan und mit Krediten aus Europa und den USA unterstützt wird«.

Tatsache ist dagegen, dass das Regime von General Jaruzelski gerade zu dem Zweck eingerichtet wurde, das Vertrauen der Imperialisten in Polens Kreditwürdigkeit wiederherzustellen und die Rückzahlung der gewaltigen Schulden an die westlichen Banken, die die Stalinisten seit den siebziger Jahren angehäuft hatten, sicherzustellen. Der jüngste Fünfjahresplan des polnischen Regimes ist entsprechend den Forderungen des Internationalen Währungsfonds umgestaltet worden.

* * *

Im Jahr 1986, als Bandas »27 Gründe, weshalb das Internationale Komitee sofort begraben werden muss« in der »Workers Press« veröffentlicht wurden und als politische Plattform für den Bruch der Workers Revolutionary Party mit dem Internationalen Komitee der Vierten Internationale dienten, behauptete Banda noch, er sei Trotzkist.

Gegen Ende dieses Dokuments erklärte er:

Die vorliegende Erklärung ist eine kritische erneute Untersuchung des gesamten IK einschließlich meiner Person. Ich halte dies für unaufschiebbar angesichts der von der IK-Clique vorgebrachten Verdrehungen, Falschdarstellungen und Halbwahrheiten. Diese Clique ist darauf versessen, einen stinkenden Leichnam wiederzubeleben.

Was mich angeht, so sehe ich, dass sich die WRP heute in derselben Position befindet wie die Bolschewiki 1915–1917, und dass der Aufbau der VI als unerlässliche Voraussetzung erfordert, das IK zu begraben. Der größte Verrat an Trotzki und am Trotzkismus wäre, das IK auch nur einen einzigen Tag noch vor sich hin schmoren zu lassen.

Der Mann, der zur Zerstörung des Internationalen Komitees aufrief – ein Vorschlag, den die Workers Revolutionary Party sofort auszuführen versuchte –, hat sich jetzt öffentlich zum politischen Agenten der Sowjetbürokratie erklärt.

Diese Entwicklung, die alle, die unsere lange Analyse von Bandas »27 Gründen« verfolgt haben, kaum überraschen dürfte, hat zumindest eine gute Seite: Es erübrigt sich dadurch ein gesondertes abschließendes Kapitel, in dem die Ergebnisse dieser ausführlichen Analyse zusammengefasst werden. Wir brauchen Banda nicht zusammenfassen, wo er sich doch in seinem jüngsten Dokument, »Was ist Trotzkismus?«, so treffend selbst zusammengefasst hat, denn es enthält nichts weiter als eine ausformulierte Darstellung der konterrevolutionären Positionen, die in den »27 Gründen« beinhaltet waren.

Um mit Banda abzuschließen, mag es genügen, zu sagen, dass er ein Mann ist, der einst ein Revolutionär war, jedoch erbärmlich vor dem Druck der reaktionärsten Klassenkräfte kapitulierte. Geschlagen und demoralisiert, versucht er, seine persönlichen Schwächen und seinen moralischen Zusammenbruch zu rechtfertigen, indem er alle in der Vierten Internationale verkörperten Prinzipien denunziert. Banda lebt in dem lächerlichen Wahn, er könne, während er selbst bis zum Hals im Schlamm watet, größer erscheinen, wenn er Flüche gegen die überragende Gestalt Leo Trotzkis ausstößt. Er hat, scheint es, vergessen, dass Trotzkis historische Größe selbst durch die Hetze und die Fälschungen der mächtigsten konterrevolutionären Bürokratie der Geschichte keinen Zentimeter eingebüßt hat. Seine eigenen schmutzigen Versuche waren nicht erfolgreicher. Banda zog aus, das Internationale Komitee zu begraben, aber das IKVI hat stattdessen ihn begraben.


[1]

Friedrich Engels, »Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft (Anti-Dühring)«, in: MEW, Bd. 20, Berlin 1971, S. 125.

[2]

Leo Trotzki, Verratene Revolution, Essen 2016, S. 62–63.