David North
Das Erbe, das wir verteidigen

Die Wohlforth-Episode

Wir nähern uns dem Ende unserer Analyse der »27 Gründe«, die – wie der Autor als Erster zugeben wird – ein ganzes Stück länger geworden ist, als er geplant oder erwartet hatte. Zu seiner Verteidigung sei dem Autor der Hinweis gestattet, dass eine Autopsie eine unappetitliche und anstrengende Sache sein kann, besonders, wenn sich die Leiche schon im Zustand fortgeschrittener Verwesung befindet. Und das war bei Michael (Van Der Poorten) Banda zweifellos der Fall, denn sein innerer Bruch mit dem Trotzkismus lag, wie er in den »27 Gründen« endlich zugab, schon mindestens zehn Jahre zurück, als er dieses Dokument verfasste.

Im Einklang mit den opportunistischen Beziehungen, wie sie in der Führung der Workers Revolutionary Party herrschten, versuchte Healy mit aller Gewalt zu verhindern, dass es im Internationalen Komitee zu Diskussionen kam, die das politische Ableben seines langjährigen Schützlings offenbart hätten. Ein Hauptanwendungsbereich von Healys »Praxis der Erkenntnis« lag darin, einer konkreten theoretischen Analyse von Programm und Perspektiven mit mystischen und pseudowissenschaftlichen Exkursen in das Reich des »reinen Denkens« zuvorzukommen. Das erlaubte ihm, in wütenden Scheinkämpfen über die richtige Abfolge der Kategorien bei der Entfaltung der »Absoluten Idee« zu schwelgen und Bandas Skeptizismus und wachsende Feindseligkeit gegen alle Grundideen des Trotzkismus unter den Teppich zu fegen. Gegen Ende nahmen Healys Bemühungen, Bandas Image als Revolutionär aufrechtzuerhalten, lächerliche und reichlich komische Formen an: Er verlangte, dass die Parteimitglieder auf öffentlichen Veranstaltungen bei Erscheinen des »Genossen Generalsekretär« auf dem Rednerpodium eine stehende Ovation darbrachten!

Und trotz der Spaltung in der WRP brachte Healy es immer noch fertig, etwa acht Monate nach der Veröffentlichung der »27 Gründe« zu schreiben, dass Banda – anders als der böse North – »35 Jahre lang in den besten Traditionen des historischen Materialismus einen gewaltigen praktischen Beitrag zum Aufbau der Workers Revolutionary Party und des IKVI geleistet hat«.[1] Aus Gründen seiner eigenen politischen Degeneration leugnet Healy ausdrücklich, dass sich Bandas Bruch mit dem Trotzkismus über viele Jahre hinweg anbahnte.

Anstelle einer konkreten politischen Analyse von Bandas Opposition gegen die Theorie der permanenten Revolution, seiner Anpassung an den Maoismus und seinem Eintreten für bürgerlich-nationale Positionen flieht sich Healy in eine gänzlich idealistisch-mystische Verdrehung des wirklichen politischen Prozesses. Bandas Entwicklung, erzählt er uns, sei die eines »fichteschen subjektiven Idealisten«. Für diejenigen, die nicht zu den Eingeweihten zählen, sei gesagt, dass Fichte von 1762 bis 1814 lebte. Das hindert Healy nicht, seine erstaunliche Diagnose durch Hinweise auf folgenden Absatz bei Hegel zu untermauern, der angeblich Michael Bandas Schicksal »erklärt«:

»Der unendliche Anstoß des fichteschen Idealismus mag wohl kein Ding-an-sich zugrunde liegen haben, so dass er rein eine Bestimmtheit im Ich wird …

Aber diese Bestimmtheit ist eine dem Ich, das sie zu der seinigen macht und ihre Äußerlichkeit aufhebt, zugleich unmittelbare, eine Schranke desselben, über die es hinausgehen kann, welche aber eine Seite der Gleichgültigkeit an ihr hat, nach der sie, obzwar im Ich, ein unmittelbares Nichtsein desselben enthält.«[2]

Alles klar, Herr Kommissar. Aber sollte irgendjemandem der Zusammenhang zwischen Fichtes Ich und Bandas Antitrotzkismus immer noch nicht recht einleuchten, so hält Healy folgende Erläuterung bereit: Männer wie Banda, erzählt er uns, »erkennen nicht, … dass diese leeren Worthülsen den Inhalt des ›Nichtseins‹ enthalten – die sich ständig wandelnde wirtschaftliche und politische Weltkrise –, ob sie sich dessen bewusst sind oder nicht. Die Ansammlung einer großen Menge dieser ›Nichtseienden‹ rächt sich, wenn die Vielzahl der ›leeren Worthülsen‹, ohne dass deren Inhalt des ›Nichtseins‹ erkannt wird, explodieren und ihnen um die Ohren fliegen, worauf sie völlig unvorbereitet sind.«[3]

Laut Healy ist die Quelle für Bandas Verrat also … Die Rache der Nichtseienden, was seine letzten und treuesten Jünger, Vanessa (OBE) und Corin Redgrave, in hoffentlich ferner Zukunft vielleicht einmal zu einem Gruselfilm inspiriert.

Wir müssen jetzt, ach, Healys Scheinwelt mit ihren fichteschen Ichs, leeren Worthülsen und Nichtseienden verlassen, um uns mit einer weiteren Fälschung Bandas zu befassen. In seinem Versuch, die Workers League anzugreifen und ihren Kampf zur Verteidigung der Perspektiven des Trotzkismus innerhalb des Internationalen Komitees zu diskreditieren, schreibt Banda die Geschichte um und behauptet, die gegenwärtige Führung der Workers League sei das Produkt einer prinzipienlosen Hexenjagd gegen ihren ehemaligen nationalen Sekretär, Tim Wohlforth. Folgendermaßen erklärt er Wohlforths Desertion von der Workers League im September 1974:

Healy verschärfte künstlich die Krise mit Wohlforth durch seine paranoiden Tobsuchtsanfälle wegen der Sicherheit und seiner totalen Unfähigkeit, sich mit den Problemen der Politik und Perspektiven der Workers League zu befassen. Der Fall von Nancy Fields wurde über alle Maßen übertrieben und verzerrt. Meiner Meinung nach nutzte Healy auf hinterhältige Art und Weise Wohlforths Schwächen aus, um ihn hinauszutreiben. Um der besseren Information willen muss der Eindruck korrigiert werden, Dave Norths Führung habe gegen Wohlforth gekämpft. Das bin ich meiner Glaubwürdigkeit schuldig. Der gesamte »Kampf« wurde von den WRP-Führern mit taktischer Hilfestellung der WL geführt. Der Fall von Nancy Fields muss ebenso neu überarbeitet werden wie der von Thornett, Blick und den anderen Opfern von Healys Bosheit und bürokratischem Sadismus.

Der Slaughter-Flügel der WRP hat sich zwar inzwischen verspätet gegen Bandas »27 Gründe« ausgesprochen, zögerte zuvor aber nicht, gerade dieses Dokument zur Grundlage seiner Spaltung vom Internationalen Komitee zu machen, und hat ebenfalls die Sache von Wohlforth und Fields zu einem zentralen Anklagepunkt gegen die Workers League und das Internationale Komitee erhoben.

Geoff Pilling, der Healy zwischen 1982 und 1984 eifrig gegen die Kritik der Workers League verteidigte, schrieb in der »Workers Press« vom 18. Oktober 1986, David North fürchte eine Untersuchung »der Frage von Tim Wohlforth«. Pilling und Cliff Slaughter machen jetzt der gesamten Mitgliedschaft der WRP weis, Wohlforth sei, wie Banda behauptet, eine Art »Opfer« gewesen. In einem internen Dokument vom Oktober 1986 informierte die Internationale Kommission der WRP die Mitgliedschaft, dass sie einen Vertreter nach San Francisco schicke, »damit wir, soweit möglich, ein allgemeines Bild der Ereignisse mit Tim Wohlforth gewinnen können. Für seine bürokratische Entfernung aus der Workers League durch Healy, die später von North gekonnt unterstützt wurde, müssen wir die volle Verantwortung übernehmen.«[4]

Wer also ist Tim Wohlforth, und was ist aus ihm geworden? In den frühen sechziger Jahren spielte er eine zentrale Rolle im Kampf gegen die pablistische Degeneration der Socialist Workers Party. In enger Zusammenarbeit mit dem Internationalen Komitee gründete er 1964 das Amerikanische Komitee für die Vierte Internationale, nachdem er und acht weitere SWP-Mitglieder ausgeschlossen worden waren, weil sie auf einer Diskussion über den Verrat der LSSP in Ceylon bestanden hatten. 1966, nach Gründung der Workers League, wurde er ihr erster nationaler Sekretär.

Niemand in der Workers League würde Wohlforths Leistungen in den Anfangsjahren der Organisation leugnen. Der Zusammenbruch der kleinbürgerlichen Antikriegsbewegung, auf die ein Großteil der Aktivitäten der Workers League in ihren Anfangsjahren ausgerichtet gewesen war, warf Wohlforth Anfang der siebziger Jahre jedoch in eine tiefe politische Krise. 1972 wurde im Internationalen Komitee scharfe und berechtigte Kritik an Wohlforth geäußert, weil er die langjährige programmatische Orientierung der Workers League auf die Arbeiterklasse, d. h. den Kampf für eine auf die Gewerkschaften gegründete Arbeiterpartei fallenließ.

Auf der Suche nach einem Ersatz für die dahinschwindende Antikriegsbewegung reagierte Wohlforth impressionistisch auf die Ereignisse um den Aufstand im Gefängnis Attica im September 1971 und entschied, die Parteiarbeit auf die politische Radikalisierung der Gefängnisinsassen zu konzentrieren. Wochenlang diente die Parteipresse der Veröffentlichung von Briefen der Häftlinge, und Wohlforth entwickelte die Theorie, die Haftanstalten würden zu den Hauptzentren der Entwicklung des Marxismus! Wohlforth ordnete an, dass im »Bulletin« ein »Offener Brief an Gefangene« veröffentlicht wurde, der folgenden Absatz enthielt (den Wohlforth der angeblichen Verfasserin dieses Briefs, Lucy St. John, diktierte):

Viele Kader der Bolschewistischen Partei wurden in den Gefängnissen vorbereitet und ausgebildet. Nach 1905 und vor 1917 wurden die Gefängnisse ein Zentrum der Entwicklung politischen Bewusstseins …

Auch heute sind die Gefängnisse zu einem Zentrum der Entwicklung politischen Bewusstseins geworden. Eine neue Generation revolutionärer Führer kann sich in den Gruften von heute entwickeln und aus ihnen emporsteigen.[5]

Zwar ist die Existenz einer großen Menge Häftlinge ein Ergebnis der gesellschaftlichen Verhältnisse im Kapitalismus, aber es war eine theoretische Travestie, von der politischen Unverfrorenheit ganz zu schweigen, die Führer der Russischen Revolution, die wegen ihres bewussten Kampfs gegen die zaristische Unterdrückung eingekerkert wurden, mit den Insassen amerikanischer Gefängnisse gleichzusetzen. Die Tatsache, dass eine solche Linie in den Seiten des »Bulletin« vertreten werden konnte, war ein Ausdruck von Wohlforths tiefer politischer Desorientierung und Abwendung von der Arbeiterklasse.

Wohlforths politische Probleme wurden allerdings verschärft durch die opportunistische Art und Weise, wie die Socialist Labour League die Spaltung von der französischen OCI durchführte. Die Weigerung der SLL, die theoretischen und politischen Probleme ihrer Differenzen mit der OCI so weiterzuverfolgen, wie sie es nur zehn Jahre zuvor in dem praktischen Kampf mit der SWP getan hatte, trug dazu bei, das Internationale Komitee und die Workers League zu desorientieren. Die Kritik an Wohlforth auf dem Vierten Kongress des IKVI im April 1972 war wohlbegründet und berechtigt, stand aber im Rahmen der verfrühten Spaltung mit der OCI und der zunehmenden politischen Desorientierung in der SLL selbst.

Wohlforth passte sich der unmittelbaren Kritik des Internationalen Komitees an, behielt aber seine kleinbürgerliche Orientierung bei. Anfang 1973 trat Wohlforth trotz Einwänden im Politischen Komitee der Workers League dafür ein, Führer der Spartacist League einzuladen, um öffentlich über die Geschichte der Vierten Internationale zu diskutieren. Diese Initiative, die nicht mit dem Internationalen Komitee beraten wurde, war eine Wendung zurück in das Milieu des Mittelklasse-Radikalismus, dessen perfektester Vertreter damals die Spartacist League war. Die letzte Stufe bei der Bildung der Workers League, die ihren fünfjährigen Kampf gegen den Revisionismus der Socialist Workers Party vollendete, war der unwiderrufliche Bruch ihres Gründungskaders mit der Spartacist-Gruppe unter James Robertson. Diese Gruppe sieben Jahre später öffentlich zu einer Debatte über die Geschichte der Vierten Internationale einzuladen, konnte nur heißen, wie Wohlforths folgende Entwicklung bestätigte, die Unwiderruflichkeit dieses Bruchs in Frage zu stellen.

Nachdem Healy mit der ihm eigenen Derbheit Kritik an diesen Debatten geübt hatte, verlor Wohlforth den letzten Rest seines politischen Gleichgewichts und begann einen politischen Vernichtungsfeldzug in der Workers League, der innerhalb eines Jahres beinahe die gesamte Organisation zerstörte. Zeitgleich mit dem Beginn dieser brutalen und haltlosen Aktivitäten entwickelte Wohlforth eine enge persönliche Beziehung zu einer Frau namens Nancy Fields. Diese Frau, die bald großen Einfluss auf Wohlforth ausübte, wurde in die Parteiführung geholt. Fields, die vom Marxismus nichts verstand und die Arbeiterklasse verachtete, nutzte ihre Position, die sie ausschließlich ihrer persönlichen Bindung an Wohlforth verdankte, um ein Pogrom gegen den Kader der Workers League anzuzetteln.

Slaughter und Pilling, die Fields’ brutale, gewalttätige und destruktive Maßnahmen gegen Parteimitglieder genau kennen, verteidigen sie jetzt gemeinsam mit Banda gegen die Workers League. Wohlforth und Fields gaben ohne Genehmigung Zehntausende von Dollars aus der Parteikasse aus und reisten luxuriös im Land umher, während sie Ortsgruppen auflösten und Mitglieder ausschlossen. Fields wandte die abscheulichsten Mittel an, um Kader zum Verlassen der Workers League zu zwingen. In einem Fall verlangte sie von einem Mitglied, eine Schwangerschaft im fünften Monat abzubrechen! Dieser Vorfall, einer von vielen, ist Slaughter und Pilling bekannt, aber das hindert diese heutigen Helden der »revolutionären Moral« nicht, vor der abgrundtief ignoranten WRP-Mitgliedschaft glühend für Fields einzutreten.

Um einen Eindruck von den Auswirkungen zu vermitteln, die Fields’ einjährige Raserei auf die Workers League hatte, wollen wir aus einem Brief zitieren, den Wohlforth am 19. Juli 1974, wenig mehr als zwei Monate vor seiner Desertion von der Partei, an Healy schrieb:

Zu Deiner Frage, ob Du zu unserem Lager und unserer Konferenz kommen kannst, möchte ich Dir nur kurz einige Informationen über die League geben. Sie hat eine sehr bedeutsame Periode hinter sich. Ich schätze, dass seit dem Austritt von ›X‹ vor etwa anderthalb Jahren rund 100 Leute die League verlassen haben. Diese Zahl bezieht sich nur auf Leute, die eine ganze Weile in der Partei waren und wichtige Rollen spielten, nicht auf diejenigen, die rein- und rausgehen, d. h. die normale Auslese der Mitgliedschaft. Der Großteil dieser Leute ging in der Vorbereitungsperiode für das Sommerlager, das den entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte der League bildete, und in der Zeit danach.

Selbst diese Zahl zeigt noch nicht das wahre Ausmaß dieses Prozesses. Beinahe die Hälfte derjenigen, die gingen, stammte aus New York City. Fast das halbe Nationalkomitee und Politische Komitee waren betroffen. Praktisch die gesamte alte Jugendführung war betroffen

Wir ähneln heute natürlich stark einer skelettartigen Bewegung, wobei in vielen Gebieten sehr, sehr wenige Leute sehr gute Arbeit leisten. Was Intellektuelle angeht, so sind wir praktisch am Ende – eine einzige, schweinische Desertion. Was in diesem Bereich geschieht, bleibt an mir und Nancy hängen. Wir haben nichts mehr in den Universitäten – und ich meine wirklich: nichts. Die Partei ist extrem schwach auf dem Gebiet der Ausbildung und theoretischen Arbeit …

Was die Gewerkschaften betrifft, so ist unsere alte, im wesentlichen zentristische Arbeit in den Gewerkschaften, besonders in der SSEU, gerade wegen unseres Kampfs, ihren Charakter zu ändern und sie auf die Jugend auszurichten, zusammengebrochen.[6] (Hervorhebung hinzugefügt)

Laut Wohlforths eigener Bilanz hatte die Workers League im Laufe eines Jahres also über 100 Kader verloren, die Hälfte der Mitglieder des Nationalkomitees und des Politischen Komitees, ihre gesamte alte Jugendführung und praktisch all ihre Intellektuellen. Außerdem war ihre Gewerkschaftsarbeit zusammengebrochen. Mit anderen Worten, im Sommer 1974 hatten Wohlforth und Fields es beinahe geschafft, die Workers League zu liquidieren. Das erklärt, weshalb beide bis auf den heutigen Tag von allen Feinden der trotzkistischen Bewegung in hohen Ehren gehalten werden.

Jetzt wollen wir uns um Bandas – von Slaughter und Pilling wiederholte – Behauptung kümmern: »Der Fall von Nancy Fields wurde über alle Maßen übertrieben und verzerrt.«

Im Mai 1974 wurde Fields, mittlerweile Wohlforths unzertrennliche Reisegefährtin, von ihm ausgewählt, dem Fünften Weltkongress des Internationalen Komitees beizuwohnen. Dort waren auch Delegierte aus Ländern wie Spanien, wo unter Bedingungen der Illegalität gearbeitet wurde.

Im August 1974, nicht lange nach Eintreffen des oben zitierten Briefs in Großbritannien, wurde Wohlforth von Healy nach London eingeladen, um die Krise in der Workers League zu diskutieren. Im Verlauf dieser Diskussionen wurden Wohlforth Fragen über Nancy Fields gestellt. Vor ihrer Teilnahme am Fünften Kongress war sie dem Internationalen Komitee unbekannt gewesen. Unter Hinweis auf die Krise in der Workers League und Fields’ kometenhaften und unerklärten Aufstieg in eine Führungsposition fragte Healy in Anwesenheit des Politischen Komitees der WRP, ob Wohlforth irgendwelche Gründe für die Annahme sehe, dass Fields eventuell Verbindungen zur Central Intelligence Agency haben könnte. Wohlforth verneinte.

Aber in den nächsten beiden Wochen erhielt der noch verbliebene Rest des Zentralkomitees der Workers League erstaunliche Informationen, die Fields’ Aktivitäten in ein völlig neues Licht rückten. Ihr Onkel, von dem sie aufgezogen und seit ihrer Kindheit finanziell unterstützt worden war, Albert Morris, war ein hochrangiger Angehöriger der Central Intelligence Agency und enger Freund ihres ehemaligen Direktors, des berüchtigten Richard Helms (»Der Mann, der kein Geheimnis preisgab«). Wohlforth hatte von den Verbindungen zwischen Fields’ Familie und führendem CIA-Personal gewusst, aber weder das Internationale Komitee noch das Zentralkomitee der Workers League informiert. Auf die Frage, weshalb er seine eigene Partei nicht über Fields’ Hintergrund informiert habe, antwortete er, er habe es für unwichtig gehalten.

Das war ein klarer Verstoß gegen die politische Sicherheit der revolutionären Bewegung und gegen Wohlforths eigene Verantwortung gegenüber der Workers League und dem Internationalen Komitee. Das Zentralkomitee der Workers League unternahm die entsprechenden Schritte. Es entfernte Tim Wohlforth aus der Position des nationalen Sekretärs (aber aus keinem Führungsgremium der Partei) und suspendierte Nancy Fields von der Mitgliedschaft, bis eine internationale Kommission ihren Hintergrund und den Verstoß gegen die Sicherheit der Workers League untersucht haben würde. Diese Resolution wurde am 31. August 1974 mit den Stimmen von Wohlforth und Fields einstimmig angenommen.

Aber weniger als einen Monat später, nur Wochen, bevor die Kommission ihre Arbeit aufnehmen sollte, erklärte Wohlforth plötzlich seinen Austritt aus der Workers League und sagte, er werde sich nicht an der Untersuchung beteiligen. In einem Brief vom 6. Oktober 1974 antwortete Slaughter auf Wohlforths Austrittsschreiben und warnte ihn davor, sich

als individueller Führer gegen die Bewegung zu stellen. Deine Überzeugung, dass NF [Nancy Fields] kein Sicherheitsrisiko ist, muss Vorrang vor den Sicherheitserfordernissen unserer Führungsgremien haben. Deine Einschätzung Deiner Leistung als Führer wird über alles andere gestellt. Du erweist Dich als unfähig, die Workers League als eine Partei und als entscheidenden Teil der Vierten Internationale aufzufassen. Stattdessen siehst Du sie nur als Gefolgschaft Deiner Anhänger an, die ohne Dich zusammenbrechen wird …

Zu dieser späten Stunde fordern wir Dich, Genosse Wohlforth, auf, noch einmal nachzudenken und sofort Deine Position zu ändern. Es ist nicht zu spät. Wir fordern Dich auf, sofort die Führungsverantwortung gegenüber der Workers League und dem IK wieder zu übernehmen und an der Untersuchung mitzuarbeiten. Diese Untersuchung musste ein paar Tage warten, bis die Arbeit fertiggestellt werden kann, aber es wurden Vorkehrungen getroffen, um die eigentliche Untersuchung innerhalb der nächsten Tage zu beginnen. Die Genossen haben Anweisungen erhalten, diese Arbeit rasch durchzuführen und dem IK sehr bald darüber zu berichten. Das Komitee fordert Dich, Genosse Wohlforth, auf, Dein Austrittsschreiben sofort zurückzuziehen und uneingeschränkt an der Arbeit der Untersuchungskommission teilzunehmen. Nur auf diese Weise kannst Du die Rückkehr in Deine Führungspositionen vorbereiten.[7]

Banda flog im Oktober 1974, wie er sich vielleicht erinnert, in die USA und unternahm einen erfolglosen Versuch, Wohlforth zum erneuten Beitritt zur Workers League zu überreden. Trotz Wohlforths versuchter Sabotage führte die Internationale Kommission ihre Arbeit durch und erstellte einen Bericht mit Datum vom 9. November 1974, der zu folgender Schlussfolgerung über Nancy Fields kam:

Die Untersuchung ergab, dass NF seit dem Alter von zwölf Jahren bis zu ihrem Universitätsabschluss von ihrem Onkel und ihrer Tante, Albert und Gigs Morris, erzogen und finanziell unterhalten wurde. Albert Morris ist Chef der IBM-Computerabteilung der CIA in Washington und Großaktionär von IBM. Er war Mitglied der OSS, des Vorläufers der CIA, und arbeitete in Polen als Agent des Imperialismus. Während der sechziger Jahre war Richard Helms, der Ex-Direktor der CIA und heutige US-Botschafter in Iran, häufig zu Gast in ihrem Haus in Maine …

Wir stellten fest, dass NF in der Partei ein äußerst unbeständiger Mensch war, der nie mit den opportunistischen Methoden des Mittelklasse-Radikalismus gebrochen hatte. Im Umgang mit politischen Problemen griff sie zu administrativen und völlig subjektiven Methoden. Diese Methoden waren besonders im entscheidendsten Bereich, dem Aufbau der Führung, außerordentlich destruktiv. TW [Tim Wohlforth] war sich dieser Unbeständigkeit völlig bewusst und trägt die Verantwortung dafür, NF in die Führung gebracht zu haben. Er fand sich schließlich in einer isolierten Position wieder und verbarg dem IK letztendlich NFs frühere Verbindungen zur CIA. Dafür trägt eindeutig er die politische Verantwortung.

Die Untersuchung stellt Folgendes fest:

Nach Befragungen und Sichtung alles zugänglichen Materials ergeben sich keine Hinweise für die Vermutung, dass TW oder NF in irgendeiner Weise mit der Arbeit der CIA oder irgendeiner anderen Regierungsagentur in Verbindung stehen. Die Untersuchung berücksichtigte TWs langjährigen Kampf für die Partei und das IK, den er oft unter sehr schwierigen Bedingungen geführt hat, und drängte ihn, seine individualistischen und pragmatischen Fehler zu korrigieren und zur Partei zurückzukehren.

Wir empfehlen, dass TW, sobald er seinen Austritt aus der Workers League zurücknimmt, in die führenden Gremien und zu seiner Arbeit am »Bulletin« zurückkehrt und das Recht hat, auf der kommenden Nationalen Konferenz Anfang 1975 für jede Position, auch die des nationalen Sekretärs, vorgeschlagen zu werden.

Wir empfehlen, sofort die Suspendierung von NF unter der Bedingung aufzuheben, dass sie für zwei Jahre keinerlei Funktion in der Workers League übernehmen darf.

Die Untersuchung möchte die Aufmerksamkeit aller Sektionen dringend auf die Notwendigkeit lenken, in Fragen der Sicherheit ständig wachsam zu sein. Aufgrund der beispiellosen Klassenkämpfe, die aus der kapitalistischen Weltkrise heraus aufbrechen müssen, hat unsere Bewegung in jedem Land große Möglichkeiten zu wachsen. Diese Situation bedeutet auch, dass sich die konterrevolutionären Aktivitäten der CIA und aller anderen imperialistischen Agenturen gegen uns verstärken werden. Es ist eine grundlegende revolutionäre Pflicht, im Rahmen der Hinwendung zu den Massen zum Aufbau revolutionärer Parteien diesen Sicherheitsfragen ständig sorgfältige Aufmerksamkeit zu widmen.[8]

Die Tatsache, dass das Internationale Komitee die Stirn hatte, zur Wachsamkeit gegenüber der politischen Polizei des kapitalistischen Staats aufzurufen, brachte Joseph Hansen von der SWP in Rage, der inzwischen einer Organisation vorsaß, die nach veröffentlichten Berichten mit Hunderten von FBI-Agenten durchsetzt war. Auf der Stelle erklärte er sich solidarisch mit Wohlforths »Recht«, aus Gründen des persönlichen Beliebens extrem wichtige Informationen, die die Sicherheit der revolutionären Bewegung betrafen, zu verschweigen. Hansen wusste sehr gut, dass ein ähnliches Verhalten von Sylvia Ageloff, die 1938–1940 der Vierten Internationale nicht alles sagte, was sie über ihren Liebhaber Ramón Mercader wusste, diesem Agenten den Mord an Leo Trotzki erleichterte.

Pilling von der WRP hat geschrieben: »Healys niederträchtige Untersuchung ›Sicherheit und die Vierte Internationale‹ wurde aufgrund der Vorwürfe gegen Wohlforth angezettelt«, als ob an diesem Zusammenhang irgendetwas Verwerfliches sei. Wenn Hansen bissig Wohlforths Recht verteidigte, die Sicherheit seiner eigenen Partei zu ignorieren, und die Sorge um Sicherheit als Paranoia bezeichnete, dann warf dies für die Vierte Internationale grundlegende politische Fragen auf. Wie konnte ein revolutionärer Kader ausgebildet werden, wenn Hansens Position zugelassen würde? Wenn akzeptiert würde, dass Mitglieder einer revolutionären Organisation, von den Führern ganz zu schweigen, ohne Bericht Beziehungen zu Personen anknüpften und unterhielten, die mit Geheimdiensten des kapitalistischen Staats in Verbindung stehen könnten, dann würde der Partei jede Möglichkeit genommen, sich gegen die Machenschaften der politischen Polizei zu wehren.

Als das IKVI auf seinem Sechsten Weltkongress im Mai 1975 beschloss, eine Untersuchung – die erste seit 1940 – über die Umstände zu initiieren, die Trotzkis Ermordung umgaben, verfolgte es den Zweck, der neuen Generation marxistischer Revolutionäre bewusst zu machen, wie furchtbar viele Menschenleben die Agenturen des Weltimperialismus und der Sowjetbürokratie in den ausgehenden dreißiger und beginnenden vierziger Jahren der trotzkistischen Bewegung abgefordert hatten. Das IKVI sah nicht voraus, dass seine Untersuchung auf belastende Dokumente stoßen würde, die Hansen sowohl mit der sowjetischen GPU als auch mit dem amerikanischen FBI in Verbindung brachten und erklärten, weshalb Hansen so erbost auf die Schritte des IKVI bezüglich Wohlforth reagiert hatte.

Der Umgang des IKVI mit der Wohlforth-Affäre und die Initiierung der Untersuchung »Sicherheit und die Vierte Internationale« entsprachen vollständig den Traditionen der trotzkistischen Bewegung. Hansens Vorwurf der Paranoia fand zwar ein promptes Echo bei all den krankhaften Mittelklasse-Radikalen, die bedauerlicherweise die Arbeiterbewegung heimsuchen, aber das Internationale Komitee war vollkommen im Recht, Wohlforth zur Ordnung zu rufen. Unter ähnlichen Umständen würde es ohne Zögern wieder genauso handeln. Wohlforths Beziehung zu einer Frau, in deren engem Familienkreis sich ein hoher CIA-Angehöriger befand, war nicht seine »Privatsache«.

Am 28. September 1940, nur einen Monat nach Trotzkis Ermordung, äußerte James P. Cannon zur Frage des »Privatlebens« von Parteimitgliedern:

Also denn … wir müssen Schluss machen mit dieser Sorglosigkeit. Wir wollen in der Partei wissen, wer wer ist. Wir wollen keine allgemeine Jagd auf Spione, denn das wäre schlimmer als das Unheil, das sie beseitigen soll. Genosse Trotzki sagte oft, dass gegenseitiges Misstrauen unter Genossen eine Bewegung sehr demoralisieren kann. Andererseits haben wir als Überbleibsel aus der Vergangenheit eine gewisse Sorglosigkeit in der Bewegung. Selbst die Vergangenheit von Leuten in Führungspositionen haben wir nicht gründlich genug durchleuchtet – wo sie herkommen, wie sie leben, mit wem sie verheiratet sind usw. Immer, wenn früher solche Fragen – elementare Fragen für eine revolutionäre Bewegung – aufgebracht wurden, fing die kleinbürgerliche Opposition an zu schreien: »Um Himmels willen, Ihr dringt in das Privatleben der Genossen ein!« Jawohl, genau dies tun wir, besser gesagt, drohen wir an zu tun – früher wurde nie etwas daraus. Wenn wir in diesen Fragen ein bisschen aufmerksamer gewesen wären, dann hätten wir vielleicht einige böse Vorkommnisse der Vergangenheit verhindern können.

Wir schlagen vor, dass wir in der Partei eine Kontrollkommission einrichten. Dafür sind wir jetzt vollkommen bereit. Es wird ein Gremium aus verantwortungsvollen und angesehenen Genossen sein, die die Sache in die Hand nehmen und jede Untersuchung zu dem einen oder anderen Ende führen werden. Damit wird Schluss sein mit wahllosen Verdächtigungen einerseits und unangebrachter Laxheit andererseits. Alles in allem kann dies die Zuversicht unserer Partei nur stärken und ihre Wachsamkeit erhöhen. Wir denken, dass die ganze Partei jetzt, wo das kleinbürgerliche Gesindel aus dem Weg ist, reif ist für die Ernennung eines solchen Gremiums.[9]

Im Januar 1975 schrieb Wohlforth ein Dokument, in dem er das Internationale Komitee und die Workers League denunzierte, und übergab es der Socialist Workers Party. Selbst danach, am 22. Januar 1975, appellierte Cliff Slaughter noch an ihn: »Du bist aufgerufen, diesen Kurs, mit dem Du allen Feinden des Internationalen Komitees und der Workers League Hilfe leistest, aufzugeben, Dein Dokument in die Partei zu bringen und damit anzuerkennen, dass die Diskussion darüber im Rahmen der Disziplin der League und des IK stattfinden muss.«[10]

Wohlforth weigerte sich, diesen prinzipiellen Weg einzuschlagen, und machte seine Desertion von der Workers League unwiderruflich. Innerhalb weniger Monate wies Wohlforth alles zurück, was er während der vergangenen fünfzehn Jahre geschrieben hatte, und trat wieder in die Socialist Workers Party ein. Diese Entwicklung bestätigte, dass die politische Quelle von Wohlforths destruktiven Aktivitäten in der Führung der Workers League, einschließlich seiner Beziehung zu Fields und der Vertuschung ihres zweifelhaften Hintergrunds, eine Kapitulation vor dem Druck des amerikanischen Imperialismus war. Aus diesem Grund sah er sich nicht in der Lage, in einer politisch prinzipiellen Art und Weise zu handeln, und landete bald in den Reihen gerade der Organisation, gegen deren Verrat am Trotzkismus er zehn Jahre zuvor gekämpft hatte. Und damit war seine ­politische Degeneration noch nicht zu Ende.

Der beste Gegenbeweis für die jetzigen Versuche der WRP, Wohlforth als »Opfer« des Healyismus darzustellen, ist die politische Entwicklung dieses Verräters, seit er die Workers League verließ. Sein Wiedereintritt in die SWP, die ihn prompt in ihr Politisches Komitee aufnahm, war nur eine Zwischenstation auf Wohlforths Weg zur Zurückweisung des Marxismus und der Diktatur des Proletariats.

Seine heutige antikommunistische Position ist in einem Artikel zusammengefasst, den er für die Ausgabe September–Oktober 1986 von »Against the Current« (»Gegen den Strom«) schrieb, eine radikale Zeitschrift, die neben anderen von Noam Chomsky und Ernest Mandel herausgegeben wird. In diesem Artikel, überschrieben mit »Die Zwei Seelen des Leninismus«, vertritt Wohlforth den Standpunkt, der Stalinismus sei ein Produkt des Leninismus.

Ich glaube bewiesen zu haben, dass der Einparteienstaat die bewusste Konstruktion von Lenin und Trotzki war. Er wurde den bolschewistischen Führern nicht durch den Verrat der Opposition der Arbeiterklasse aufgezwungen. Er wurde von den damaligen führenden Vertretern des Leninismus theoretisch gerechtfertigt …

Meiner Meinung nach kann der Leninismus nicht als demokratisches, revolutionäres Erbe der Arbeiterklasse gelten. Wir befinden uns jetzt in einer postleninistischen Periode, einer Periode, in der wir eher pluralistische Arbeiterpolitik als Unterdrückung von Arbeiterparteien betonen sollten, und revolutionäre Fronten aus mehreren Parteien anstatt der Führung einer Avantgardepartei.[11]

Als Wohlforth lieber aus der Workers League austrat, als eine Untersuchung der Partei über seinen Verstoß gegen elementare Gebote revolutionärer Sicherheit zu akzeptieren, als er auf seinem persönlichen Recht ­bestand, seine eigenen subjektiven Interessen über die Arbeiterklasse zu stellen, da brachte er in embryonischer Form bereits die deutlich anti­kom­munistischen Positionen zum Ausdruck, die in obigem Zitat voll entwickelt sind.

Zu guter Letzt kommen wir zu Bandas Behauptung, der »gesamte« Kampf gegen Wohlforth sei von der WRP geführt worden, mit nur »taktischer Hilfestellung der Workers League«. Dies halten wir für den politisch vielleicht aufschlussreichsten Aspekt von Bandas Verfälschung der Wohlforth-Episode. Tatsache ist, dass die Workers League niemals behauptet hat, »Dave Norths Führung habe gegen Wohlforth gekämpft«. 1974 war David North Mitglied des Politischen Komitees der Workers League. Als im August 1974 die Fakten über Fields ans Tageslicht kamen, gehörte er zu denen, die für den Antrag auf die Suspendierung Fields’ und die Ablösung Wohlforths als nationalem Sekretär stimmten. Wohlforths Nachfolger war Fred Mazelis, ein Gründungsmitglied der Workers League, der unter extrem schwierigen Bedingungen die Verantwortlichkeiten des Sekretärs übernahm und diese Position für die nächsten 15 Monate innehatte. In dieser kritischen Periode wurden die Grundlagen für die Schaffung einer wirklich kollektiven Führung gelegt, die bis heute in der Workers League funktioniert.

Wenn man den Kampf gegen Wohlforth von seinem politischen Inhalt her betrachtet, dann zeigt sich, dass die Rollen der Workers League und der WRP genau umgekehrt verteilt waren, als Banda behauptet. Die Workers League führte den politischen Kampf gegen Wohlforth, die taktische Unterstützung kam von der WRP.

Die gesamte politische und theoretische Analyse der Degeneration von Wohlforth wurde von der Führung der Workers League geleistet. Im April 1975 veröffentlichte das Politische Komitee der Workers League ein durchschlagendes Dokument mit dem Titel »Was Wohlforth wegtreibt«, das eine detaillierte Analyse von Wohlforths Bruch mit dem Internationalen Komitee lieferte. Es befasste sich mit Grundfragen marxistischer Theorie und politischer Perspektiven. Das nächste wichtige Dokument der Workers League war »Die Vierte Internationale und der Renegat Wohlforth«, das North und Alex Steiner gemeinsam verfassten. Darin wurde die Analyse der Partei über Wohlforths Angriffe auf die Prinzipien des Trotzkismus nach seinem Eintritt in die Socialist Workers Party vertieft.

Diese Dokumente bedeuteten eine Erneuerung des Kampfs gegen den pablistischen Revisionismus durch die Workers League. Im Lichte von Wohlforths Verrat eignete sich die gesamte Partei die gewaltigen historischen Implikationen der Spaltung von 1953 und des folgenden Kampfs gegen die Socialist Workers Party an. Mit diesen gestärkten Grundfesten wandte sich die Partei tatkräftiger denn je zuvor dem Kampf zu, als Teil der Weltpartei der sozialistischen Revolution in den Vereinigten Staaten eine marxistische Avantgardepartei der Arbeiterklasse aufzubauen.

Welchen politischen Beitrag leistete die WRP zu diesem entscheidenden Kampf? Aus den Dokumenten geht hervor, dass kein einziger Führer der WRP auch nur einen einzigen Artikel schrieb, um die Theorie und Politik von Wohlforths Verrat zu analysieren, obwohl er in der Arbeit des IKVI viele Jahre lang eine entscheidende Rolle gespielt hatte. Diese theoretische Gleichgültigkeit widerspiegelte die bereits längst stattfindende Abwendung der WRP von ihrem früheren Kampf gegen den Revisionismus. Die WRP hielt sich aus dem theoretischen Kampf gegen Wohlforth heraus und versäumte es, sich auch nur eine der Lehren aus dieser bedeutenden Erfahrung des IKVI in den Vereinigten Staaten anzueignen. Das ist gerade der Grund, weshalb die Führer der WRP über die Spaltung mit Wohlforth heute ungestraft Lügen verbreiten können, ohne Widerspruch von den Mitgliedern ihrer eigenen Organisation fürchten zu müssen, die das wirkliche Leben des Internationalen Komitees niemals kannten und heute gar nicht kennenlernen wollen.

Es würde sich außerdem lohnen, die gründliche Analyse der Workers League über Wohlforth mit der Art und Weise zu vergleichen, wie Banda und Healy mit den politischen Differenzen umgingen, die Alan Thornett in der WRP aufbrachte. Einmal abgesehen von der bürokratischen Weise, in der die WRP-Führung eine Diskussion durch Ausschlüsse unterband, zeichneten sich Bandas Polemiken (»Ein entlarvter Menschewik« und »Wohin geht Thornett?«) durch ihre nationalistische Ausrichtung aus. Obwohl Thornetts Dokumente den gesamten Kampf des Internationalen Komitees gegen den Pablismus seit 1953 in Frage stellten, wurden diese Fragen nachlässig vor allem vom Standpunkt aus abgehandelt, die Führung der WRP in Großbritannien zu verteidigen.

Außerdem wurde in Bandas Dokumenten ständig das programmatische Erbe des Trotzkismus abgewertet, weil er immer wieder die »philosophische Methode« – ein Ausdruck, der in Bandas Text eine rein dekorative Funktion erfüllte – von ihrer wirklichen Ausformung im Programm der Partei trennte. Diese Verdrehung des Marxismus begünstigte den Revisionismus, der mittlerweile in der WRP Wurzeln schlug. Die WRP beharrte darauf, dass programmatische Fragen zweitrangig seien. Man habe, behauptete sie, die »grundlegenden« Fragen des Kampfs gegen den Revisionismus erst dann im Griff, wenn man sich mit der »Methode« auseinandersetze. Dies hatte auf der Ebene reinster Abstraktionen zu geschehen, nämlich durch Pseudoanalysen der logischen Kategorien an und für sich, die als der innere und wesentliche Inhalt aller politischen Fragen hingestellt wurden. (Letztere wurden herablassend als lediglich äußerer und unwesentlicher Ausdruck der Bewegung logischer Denkformen abgetan.) Der Zweck dieses Verfahrens bestand darin, zu rechtfertigen, dass die WRP in der Praxis die grundlegendsten programmatischen Auffassungen der Vierten Internationale mit Füßen trat.

Für die Workers League war der Kampf gegen Wohlforth ein entscheidender Abschnitt in ihrer politischen Entwicklung als trotzkistische Partei, die fähig ist, sich in den Kämpfen der amerikanischen Arbeiterklasse zu verankern. Für die Workers Revolutionary Party erwies sich der Zank mit Thornett lediglich als Zwischenstation auf dem Weg in eine tiefe politische Krise, die schließlich zu ihrem Zusammenbruch führte.

Im Kampf gegen Wohlforth wurde außerdem die politische Grundlage für die Opposition der Workers League gegen den revisionistischen Kurs der WRP gelegt. Zur selben Zeit, als die WRP die Prinzipien aufgab, die sie früher gegen die Pablisten verteidigt hatte, bildete die Workers League ihre gesamte Mitgliedschaft erneut auf der Grundlage dieser historischen Lehren aus. Von 1976 an gingen die Wege der WRP und der Workers League immer weiter auseinander, bis Letztere im Herbst 1982 offen ihre Differenzen vorbrachte.


[1]

News Line, 23. September 1986.

[2]

Ebd.

[3]

Ebd.

[4]

Nach einer Kopie des Originals.

[5]

Bulletin, 19. Juni 1972.

[6]

Cliff Slaughter (Hrsg.), Trotskyism Versus Revisionism: A Documentary History, Bd. 7, The Fourth International and the Renegade Wohlforth, Detroit 1984, S. 172–173.

[7]

Ebd., S. 262–264.

[8]

Ebd., S. 270–272.

[9]

James P. Cannon, The Socialist Workers Party in World War II: James P. Cannon Writings and Speeches, 1940–43, Hrsg. Les Evans, New York 1975, S. 81–82.

[10]

Slaughter (Hrsg.), Trotskyism Versus Revisionism, Bd. 7, S. 266.

[11]

Tim Wohlforth, »The Two Souls of Leninism«, in: Against the Current, Jg. 1, Nr. 4–5, September–Oktober 1986, S. 42.